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Schwanengesang (German Edition)

Schwanengesang (German Edition)

Titel: Schwanengesang (German Edition)
Autoren: Andreas Hoppert
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aufgrund von Heinens schlechtem Ruf bei den Behörden zu befürchten war, dass die Leiche obduziert werden würde, brauchten wir einen Sündenbock, auch wenn Heinen da natürlich ganz anderer Meinung war. Er meinte, es könne nichts passieren, selbstverständlich würde seine Todesbescheinigung akzeptiert werden. Aber auch da hat er sich geirrt, wie bei so vielem in seinem Leben. Damit Sie als Sündenbock glaubhaft wurden, musste ein Testament her mit einem Vermächtnis für Sie. Zu diesem Zweck hatte ich mich zuerst wieder mit meinem Neffen ›ausgesöhnt‹. Ich weiß, dass Sie ihn mittlerweile kennengelernt haben. Der Mann ist ein absolutes Arschloch vor dem Herren. Um ihn zu ködern, habe ich ihm erzählt, es gebe Millionen zu erben. Natürlich hat er mir das abgenommen, ich habe das bis vor Kurzem ja selbst noch geglaubt. Das Schöne an der ganzen Sache war, dass ich meinem lieben Neffen so ganz nebenbei auch noch eins auswischen konnte. Ich wusste, wie er auf die Erbschaft reagieren würde: Er würde anfangen, Geld, das er noch gar nicht hat, mit vollen Händen zum Fenster hinauszuschmeißen.« Sie kicherte bösartig. »Nun, er hat es nicht besser verdient. Um die Sache realistischer zu machen, habe ich den Verein als Miterben eingesetzt. Wir dachten, es wäre zu auffällig, wenn mein Neffe, mit dem ich kurz zuvor noch total zerstritten war, alles allein erben würde. Für den Verein tut es mir natürlich sehr leid. Deren Arbeit liegt mir wirklich am Herzen. Andererseits habe ich denen schon genug Geld gespendet.«
    »Kurz darauf wurde das Vermächtnis für mich in das Testament aufgenommen«, ergänzte Marc. »Und damit und mit der Videoaufnahme von Ihrem Tod hatten Sie Ihren Sündenbock.«
    Johanna Reichert zuckte die Achseln. »Es tut mir leid, aber einer musste der Prügelknabe sein«, sagte sie leichthin. »Ich habe damit nichts zu tun, Sie waren ein Vorschlag Ihres Freundes Gabriel Wagner.«
    »Wer ist denn an Ihrer Stelle beerdigt worden?«
    »Eine Patientin von Heinen, die in meinem Alter war und mir ein bisschen ähnlich sah. Heinen hat viele Menschen aus dem Obdachlosenmilieu, die niemand vermissen würde, kostenlos behandelt. Am Anfang war ich von seiner Großzügigkeit tief beeindruckt, aber dann habe ich irgendwann begriffen, dass er diese Hilfe nur geleistet hat, um eine gute Presse zu bekommen. Heinen hat die Frau an meinem ›Todestag‹ mit einer Überdosis Medikamente vergiftet. Nachdem Sie mein Haus verlassen haben, hat er die ›Leichen‹ einfach ausgetauscht. Als der Bestatter kam, hat er nur noch die tote Obdachlose vorgefunden und mitgenommen. Da der Bestatter mich nicht kannte, bestand auch keine Gefahr, dass er den Tausch hätte bemerken können.«
    »Aber es gab dennoch ein gewisses Risiko: Wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, die Aufnahme von Ihrem ›Tod‹ mit der Leiche zu vergleichen, hätte die Sache auffliegen können.«
    »Um das zu verhindern, war ja auch die ursprüngliche Idee, die Leiche der Frau möglichst schnell verbrennen zu lassen, aber Ihr Freund Wagner hat herausgefunden, dass bei einer Feuerbestattung zwingend eine weitere Leichenschau durch einen anderen Arzt vorgenommen werden muss. Also genau das, was wir unbedingt vermeiden wollten. Damit blieb nur eine Erdbestattung. Aber das Risiko einer Entdeckung war ohnehin sehr gering. Todkranke und verwahrloste Menschen sehen sich sehr ähnlich. Und ich sah am Ende wirklich sehr krank und sehr verwahrlost aus, wie Sie sicher bestätigen können. Und wer hätte diesen Vergleich anstellen sollen? Die Pathologen, die die Obduktion durchgeführt haben, kannten die Aufnahme nicht, die Staatsanwälte und Polizisten waren bei der Obduktion nicht dabei. Bei einem Mord sind die Ermittler in der Regel zwar bei einer Obduktion durch einen Rechtsmediziner anwesend, aber nicht bei der Obduktion durch einen Pathologen . Das sind zwei völlig verschiedene Berufe. In meinem Fall wurde die Obduktion durch einen Pathologen durchgeführt, weil nur die Todesursache geklärt werden sollte und eine Straftat zum Zeitpunkt der Leichenöffnung noch gar nicht zur Debatte stand. Außerdem gab es zwei Menschen, die die Tote eindeutig identifiziert haben: Meine beste Freundin Charlotte Vollmer und Dr. Heinen. Es gab keinerlei Anlass, daran zu zweifeln. Und wenn das alles nicht gereicht hätte, hatten wir schließlich noch einen vollkommen unabhängigen Zeugen vorrätig: Sie! Sie hätten jeden Eid geschworen, dass Johanna Reichert gestorben
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