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Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall

Titel: Schutzpatron: Kluftingers sechster Fall
Autoren: Volker Klüpfel , Michael Kobr
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sie …«
    »Nein, Schmarrn, das mein ich nicht, ich meine, dass die Hausärzte gar nicht dafür ausgebildet sind, dass sie gewaltsame Tode feststellen. Liegt wie immer am Geld. Weißt du, was die für eine Leichenschau kriegen? Lausige fuffzig Euro zum Beispiel in Berlin, bei uns so um die hundert, aber mit allem Drum und Dran, der ganze Verwaltungskram und so. Ich mein, da würd ich mir auch kein Bein ausreißen. Viele ziehen die Toten nicht mal aus, was eigentlich Pflicht wäre.«
    »Kann ich verstehen«, murmelte Kluftinger.
    »Hm?«
    »Du meinst, wir hätten tausendzweihundert Morde mehr zu bearbeiten, wenn die das gründlicher machen würden?«
    »Genau, jetzt hast du’s. Die Zahl gilt allerdings für ganz Deutschland, keine Ahnung, wie viele davon für uns abfallen würden. Ich mein, man muss nur mal bedenken, dass bei uns nur zwei Prozent der Leichen obduziert werden, in Österreich macht man das zum Beispiel schon mal bei zwanzig Prozent. Immerhin soll es besser werden, es gibt da jetzt einen neuen Beschluss, nach dem wir die Hausärzte für so was schulen sollen. In anderen Ländern ist das eh schon längst so. In unserem Fall jedenfalls hatten wir Glück, weil die Frau verbrannt werden sollte. Und da wird standardmäßig obduziert, was die meisten nicht wissen. Sonst hätte niemand entdeckt, dass die Frau keineswegs an Herzversagen als Folge einer Vorerkrankung und ihres Übergewichts gestorben ist, wie das der Arzt vermutet hat, sondern daran.« Böhm zog das Leintuch noch ein bisschen mehr zurück, zeigte auf ihren Hals und winkte Kluftinger näher zu sich.
    »Herrgott, Georg, wenn’s der Arzt nicht gesehen hat, werd ich’s auch nicht feststellen. Sag halt einfach, was los ist.«
    »Ja, ja, schon gut. Hier sind ganz klar Würgemale zu erkennen. Jedenfalls, wenn man danach sucht.«
    Der Kommissar stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne aus. »Wie alt ist die Frau noch mal?«
    »Zweiundachtzig laut Totenschein. Ich geh mal davon aus, dass das stimmt.«
    »Sie ist mit zweiundachtzig noch erwürgt worden?«
    »Ja, und?«
    »Rentiert sich doch gar nimmer.«
    Sie sahen sich an.
    »Und jetzt?«, fragte der Kommissar.
    »Jetzt bist du dran.«
    »Aha. Klingt wie eine Drohung.«

Mehrere Monate zuvor
    Er wählte den Weg über den Friedhof, weil er hoffte, dort um diese Zeit den wenigsten Menschen zu begegnen. Doch er hatte sich geirrt: Selbst bei diesem nasskalten Wetter und zu dieser dämmrigen Stunde war hier erstaunlich viel los. Nach einem ersten Zögern störte es ihn allerdings nicht mehr. Niemand hatte Augen für ihn, jeder war vertieft in das, womit er sich gerade beschäftigte: Manche harkten in der feuchten Erde herum, andere standen nur da und starrten auf die Grabsteine, ein paar alte Frauen unterhielten sich leise.
    Er schlug seinen Mantelkragen noch ein wenig höher und beschleunigte die Schritte. Der Kies knirschte ungewöhnlich laut unter seinen Sohlen, so kam es ihm jedenfalls vor. Schließlich hatte er das schmiedeeiserne Tor erreicht. Er erwartete, dass es quietschen würde, doch es schwang fast geräuschlos auf. Nur noch ein paar Schritte, dann war er am Portal. Er atmete tief durch, als er die schwere Tür hinter sich schloss. Unwillkürlich wanderte sein Blick über die Bänke, die so leer und verlassen wirkten, als habe nie ein Mensch auf ihnen gesessen. Er schaute empor, sah die imposanten Deckenfresken, in deren Zentrum eine Darstellung stand, die Jesus auf einer Wolke zeigte, die Hände wie schützend über seine Jünger haltend. Schließlich kam sein Blick auf dem goldenen Kreuz auf dem Altar zur Ruhe. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, als er das Kruzifix betrachtete. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich hier zu treffen. Andererseits: Es war nicht sein Vorschlag gewesen, und er hatte keine Wahl gehabt. Dennoch kam es ihm jetzt vor wie ein schlechter Scherz.
    Das Schlagen der Kirchturmglocke ließ ihn zusammenzucken. Es klang hier drin wesentlich hohler als draußen, und man konnte das mächtige Uhrwerk arbeiten hören. Er drehte sich einmal um die eigene Achse: Wo war nur der Beichtstuhl? Er hielt sich nicht oft in Gotteshäusern auf, genau genommen überhaupt nie. Geschweige denn, dass er jemals in einem dieser Dinger Platz genommen hätte. Er war noch nicht einmal getauft. Da! Er hatte ihn gefunden. Ein kunstvoll geschwungener hölzerner Rahmen, üppig mit Gold verziert, der in die seitliche Kirchenwand eingelassen war und wie ein Triptychon drei Türen
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