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Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)

Titel: Schutzkleidung is nich!: Unter Bauarbeitern (German Edition)
Autoren: Nicholas Grünke
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spanischen Paul.»
    «Ich bin kein Spanier, ich bin Ka...»
    «Jaja, ich weiß. Also, Matze, du hilfst dann auch mit, wennde alle Steine drüben hast. Und nich mehr als zehn Lagen Steine auf die Paletten!»
    «Wo sollen wir die Paletten eigentlich hinfahren?»
    «Ganz hinten in die Ecke. Nick, komm ma kurz mit runter. Den Hubwagen holen.»
    Der steht hinter der Bretterbude unter einer Plastikplane versteckt.
    Peter hat in dem halbfertigen Fahrstuhlschacht eine elektrische Seilwinde angebracht, damit will er das schwere Gerät hochziehen. Wir befestigen die Hebegurte und haken sie an das herunterhängende Drahtseil.
    «Geh du hoch und schalt die Seilwinde ein. Ich komm gleich nach!»
    Der Fahrstuhlschacht reicht gute 15  Meter in die Tiefe und wird nur von ein paar provisorischen Holzbohlen abgedeckt. Ein ins Mauerwerk betonierter Stahlträger hängt über dem Schacht. Eine Seite der Seilwinde ist jetzt mit einem Gurt um die Mitte dieses Trägers gebunden, die andere hängt mit einer Metallklemme an einem angeschweißten Ring. Ich nehme die Fernbedienung und starte das Manöver. Das Drahtseil wickelt sich langsam auf, und der Hubwagen hebt sich in die Luft. So weit, so gut. Nur die Seilwinde ächzt und quietscht bedenklich.
    «Ey, Peter, das hört sich nicht gut an. Und guck mal, wie die wackelt. Meinst du, das hält?»
    «Klar, ich hab die Ringe selbst an den Stahlträger geschweißt. Dat hält. Und an den Gurt da kannste ’nen Elefanten hängen.»
    Er hat das selbst geschweißt? Wie beruhigend! Aber tatsächlich geht alles gut, und wir können den Hubwagen oben nutzen. Die ersten Paletten sind verschoben, Peter ist weg, und wir legen eine weitere Pause ein. Pau sieht mitgenommen aus. Der Staub hat sich wie eine Kuchenglasur über ihn gelegt, und sein linkes Brillenglas hat einen Riss.
    «Ich sag doch, zieh die Schutzbrille drüber.»
    «Ist nicht so schlimm», winkt er ab und kramt in seinem Rucksack. Zum Vorschein kommt eine Packung Schokokekse, die er in die Runde hält.
    «Will einer? Sind Prinzessinnenkekse.»
    Matze zeigt ihm den Vogel.
    «Bist du schwul oder wat? Prinzessinnenkekse? Dat is doch ’ne Prinzenrolle!»
    Aber Pau hat recht. Auf der Packung ist tatsächlich eine Prinzessin mit Zauberstab abgebildet. Scheint vom Discounter zu sein.
    «Wollt ihr jetzt ’nen Keks oder nicht? Und Matze, von dir will ich im Gegenzug ’ne Zigarette!»
    «Na gut, dann gib mir ma einen von deinen schwulen Prinzessinnenkeksen.»
    Mein Blick schweift durch den weiten Raum, über schier endlose Berge aus Schutt und Steinen.
    «Wisst ihr, woran ich die ganze Zeit denken muss?»
    «Nee?»
    «An die Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg.»
    «Ja, nur haben die ihre Hände benutzt und keine Stemmhämmer», antwortet Matze trocken, während er sich die nächste Kippe ansteckt. Dann dreht er sich zur Seite und zeigt auf seinen Gürtel. «Ich hab mir ’nen neuen Messergriff gebaut! Wollt ihr ma sehn?»
    Matze reicht mir das Messer. Ich löse den Sicherheitsverschluss mit dem Daumen – und dann unterläuft mir der Kardinalfehler. Ich greife zu hoch und schlitze mir beim Rausziehen der Klinge in die Handfläche. Das kommt davon, wenn man keine Ahnung von Messern hat.
    «Au! Scheiße!»
    «Wat machst du denn? Jetz is dat ganze Messer voll Blut!»
    «Das ist ja unglaublich scharf!»
    Dicke Blutstropfen rinnen mir aus der Faust, und Pau reicht mir ein Taschentuch.
    «Natürlich is dat scharf! Wat denkst du denn? Und, gefällt dir der Griff?

    Was an diesem Tag noch halbwegs erträglich ist, wird in den nächsten Wochen immer mehr zur Qual. Der Boden ist relativ schnell herausgestemmt, aber Tausende Steine von dem elenden Mörtel zu befreien dauert eine gefühlte Ewigkeit. Ein Ende ist nicht abzusehen, und diese Sisyphosarbeit zermürbt uns zusehends. Ich muss zurückdenken an meine ersten Tage vor fast einem Jahr. Und nun wieder mit Schutzbrille, Gehörschutz und einer Makita in der Hand auf Steine einzuhämmern, raubt mir die letzte Motivation.
    Mir wird einmal mehr bewusst, dass sich die wesentliche Arbeit auf einer Baustelle letztlich immer auf eine Handvoll Tätigkeiten beschränkt. Diese ewig zähe Monotonie ist vermutlich eins der größten Übel in der Welt der Bauarbeiter.
    Wir stehen bis zu den Waden in Mörtelresten. Die Tischbeine wackeln ständig unter der Last der Steine und des schlagenden Hammers. Zwei von uns stemmen ununterbrochen, der dritte bringt neue Steine von dem riesigen Haufen und stapelt die sauberen
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