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Schutzengel mit ohne Flügel

Schutzengel mit ohne Flügel

Titel: Schutzengel mit ohne Flügel
Autoren: Arto Paasilinna
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führte sogar zu einem Stillstand in der benachbarten Zellulose- und Papierfabrik, aber zum Glück sprangen in den Betrieben, in den Krankenhäusern und anderen lebenswichtigen Einrichtungen die Notstromaggregate an.
    Es gelang dem Engel im letzten Moment, sich an die andere Leitung zu hängen. In seiner kritischen Lage durchfuhr ihn ein neidischer Gedanke an die Schwalben und anderen kleinen Vögel, die mühelos auf Fernmeldedrähten sitzen können, ohne sich so abstrampeln zu müssen.
    Es trug auch wenig zur Verbesserung der Situation bei, dass unter ihm das Segelboot in einem schönen Bogen an den Klippen vorbei und in sicheres Gewässer glitt. Sulo Auvinen hielt sich mit den Händen an der Stromleitung fest, die mächtigen Flügel hingen kläglich herunter, und der Schwanz zeigte auf die Wellen des Saimaa. Den frommen Lippen des Schutzengels entrang sich ein derber Fluch:
    »Verdammter Mist!«
    Zum Glück sind Engel unsichtbar, und keines Menschen Ohr kann ihre Worte hören, seien sie auch noch so unpassend. Nach einer Weile ließ Sulo Auvinen die Stromleitung los und schwang sich wieder in die Luft. Heftig mit den Flügeln schlagend stieg er zum Himmel auf, und nachdem er sich beruhigt hatte, nahm er erneut Kurs auf Helsinki.
    Abends kam der Schutzengel in Helsinki an. Dort sah er, wie sein Schützling Aaro Korhonen Arm in Arm mit der Serviererin Viivi Ruokonen über den Friedhof von Hietaniemi spazierte. Beide trugen Trauerkleidung, wirkten aber verdächtig fröhlich. Trotzdem beschloss Sulo Auvinen, sich gleich am nächsten Morgen ans Werk zu machen. Aaro musste vor allem Bösen bewahrt werden.
     

5
DIE ERSTE AUFGABE ALS SCHUTZENGEL
     
    Sulo Auvinen flog nach Helsinki, um sich zunächst einmal zu informieren, was für ein Mann Aaro Korhonen war. Er durchforschte dessen Gedanken, holte seine Vergangenheit und auch alles andere hervor, was Aaros Gehirn ohne sein Wissen dem Engel preisgab. Sulo verschaffte sich auch Kenntnisse über Viivi Ruokonen. Mit dem scharfen Auge des Religionslehrers hatte er registriert, wie innig die beiden einander ansahen. Das konnte durchaus eine ernsthaftere Beziehung und womöglich eine Eheschließung bedeuten. In diesem Fall würden sich die Aufgaben des Schutzengels natürlich erweitern und auf die ganze Familie erstrecken.
    Aaro Korhonen hatte zuletzt in Pietarsaari als Verwalter der dortigen Pellet-Fabrik gearbeitet. Geboren war er ursprünglich in Savukoski. Aber schon als kleines Kind war er mit seinen Eltern nach Trelleborg gezogen, dort hatten beide in den Saab-Werken gearbeitet. Als Erwachsener war Aaro nach Finnland zurückgekehrt, hatte seinen Wehrdienst abgeleistet und einige Jahre an der Universität studiert. Die diesbezüglichen Aktivitäten hatten allerdings zu keinem akademischen Abschluss geführt. Außer Sprachen und Literatur hatte er auch noch Soziologie studiert. Er hatte als Sommerredakteur beim Turkuer Tageblatt und als Assistent beim Finnischen Rundfunk gearbeitet. Aaro hatte zahlreiche Berufe ausgeübt und diverse Arbeitsplätze gehabt, aber er war trotzdem bodenständig geblieben und hatte sich nicht in der Welt herumgetrieben. Völlig gelassen hatte er branchenübergreifende Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt, sodass er imstande war, schwierige Probleme zu lösen und beinahe jeden Job auszufüllen.
    Als ehemaliger Religionslehrer interessierte sich Sulo Auvinen natürlich besonders dafür, ob sein Schützling gläubig war und welchen Lehren er möglicherweise anhing. Hier erwartete ihn eine Enttäuschung. Aaro Korhonen war nicht religiös, allerdings auch kein Atheist, sondern eine Art Agnostiker – falls es tatsächlich eine göttliche Welt geben sollte, war nichts dagegen einzuwenden, falls nicht, auch gut – das war sein Standpunkt.
    Neben seinen verschiedenen Jobs hatte Aaro Korhonen auch zwei Bücher geschrieben. Eines war ein belletristisches Werk, eine Art Anekdotensammlung: Die Abenteuer eines Goldwäschers. Auf den Spuren des Urgesteins von Alattio bis Alaska. Das andere war ein Sachbuch über das Internet-Zeitalter: Die soziologische Bedeutung der internationalen Aktienmärkte. Eine Untersuchung zur Verelendung in der Welt des elektronisch zirkulierenden Geldes. Sulo Auvinen konstatierte, dass sein Schützling eine vielseitige Persönlichkeit war, ein ausgeglichener und fester Charakter, ziemlich talentiert und tatkräftig. Auch Aaros Äußeres war nicht übel. Mit seinen vierzig Jahren war er ein wenig kräftiger geworden, aber
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