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Schuld währt ewig

Schuld währt ewig

Titel: Schuld währt ewig
Autoren: Inge Löhnig
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werden.«
    »Und Ihr Mann hat das abgelehnt.«
    »Natürlich. Der Entwurf stammt von Jens. Er hat Sven gebeten, den Unsinn sein zu lassen und zu gehen.«
    »Wissen Sie, was für ein Auto Lautenschläger fährt?«
    »Einen BMW X5.«
    »Und die Farbe?«
    »Schwarz. Aber Sven war das nicht. Ganz sicher nicht. Er ist einfach nicht der Typ dafür.«
    Er bat Bettina Flade um Lautenschlägers Adresse. Sie gab sie ihm und brachte ihn zur Tür. Als er sich verabschiedete, zuckte sie plötzlich zusammen und umfasste mit beiden Händen den Bauch. »Puh!« Sie atmete durch. »Paul ist heute unruhig.« Ein schmerzverzerrtes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
    Mit einem Mal fühlte er sich hilflos. Er hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Geht es wieder? Kann ich irgendwie helfen? Sie sollten sich schonen.
    »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das ist ganz normal. Paul strampelt, und der Platz da drinnen ist begrenzt.« Nun lachte sie. Doch im nächsten Moment legte sich wieder der Schatten der Trauer über ihr Gesicht. »Sie werden denjenigen finden, der dafür verantwortlich ist, dass Paul ohne Vater aufwachsen muss?«
    »Ja.«
    »Gut.«

9
    Er sah ihre hellen Augen noch vor sich, als er bereits im Auto saß und sein Handy zu klingeln begann. Dr. Ursula Weidenbach meldete sich. »Wir fangen jetzt mit der Sektion des Architekten an. Leyenfels ist schon unterwegs. Wer kommt von der Kripo?«
    »Ich bin in zwanzig Minuten da.«
    Er steckte das Mobiltelefon in die Freisprechanlage und fuhr los.
    Eine Frau mit Kinderwagen überquerte die Straße. Eine Schwangere wartete an der Bushaltestelle. Ein Mann betrat ein Spielwarengeschäft. An jeder Hand ein Kind. Neuerdings sah er überall Kinder, Familien. Der Wunsch, selbst eine zu gründen, drängte immer mehr ins Rampenlicht.
    Ein Jahr war es schon wieder her, dass er in Hamburg gewesen war, zur Taufe seiner Nichte Elisabeth Sophie. Sein Bruder Julius, der Strebsame, hatte den Wunsch ihres Vaters nach einem Enkelkind erfüllt, so wie er immer alle Erwartungen erfüllte. Ganz im Gegensatz zu ihm, Tino, der zur Enttäuschung seines alten Herrn die Fronten gewechselt hatte und zur Polizei gegangen war, anstatt in die Fußstapfen des Patriarchen zu treten und Strafverteidiger zu werden. Seit sie im vergangenen Jahr die Scherben dieser enttäuschten Erwartungen weggeräumt hatten, verstand sich Dühnfort mit seinem Vater wesentlich besser als in den zwanzig Jahren davor.
    Ich sollte ihn mal wieder besuchen, dachte er. Ein paar Tage gemeinsam im Wochenendhaus auf Sylt. Das wäre schön, und Gina könnte mitkommen. Vater wird sie mögen.
    Als er die Schranke passierte, mit der die Zufahrt zu den Innenstadtkliniken geregelt wurde, begann es zu regnen. Bis er einen Parkplatz gefunden hatte, war aus dem leichten Schauer ein Wolkenbruch geworden. Im Schutz der Mauern eilte er auf das Gebäude zu, in dem das Institut für Rechtsmedizin untergebracht war, und betrat das Reich von Dr. Ursula Weidenbach, einen Sektionssaal mit drei Tischen. An jedem arbeitete ein mehrköpfiges Team aus Rechtsmedizinern und Sektionsgehilfen. Dieser Saal war kein Ort der Stille und Andacht. Oszillationssägen sirrten, Befunde wurden auf Band gesprochen, Organe landeten klatschend in Stahlgefäßen, Rippen knackten beim Y-Schnitt, mit dem Körperhöhlen von den Schlüsselbeinen bis zum Schambein eröffnet wurden. Professor Dr. Dr. Claudius Herzog hob das Schädeldach einer weiblichen Leiche an und summte dabei eine Melodie, die Dühnfort bekannt vorkam. Sag beim Abschied leise Servus.
    Heute war der Geruch nach Pharmazie und Verwesung schlimmer als sonst. Auf dem mittleren Tisch lag ein Toter im fortgeschrittenen Stadium der Fäulnis. Sicher der Rentner, dessen Leiche gestern, geschätzte drei Wochen nach Eintritt des Todes, vom Gerichtsvollzieher gefunden worden war, als er die Wohnung räumen lassen wollte.
    Dühnfort versuchte flach zu atmen und sah sich um. Er entdeckte Leyenfels’ alle überragende Gestalt und durchquerte den Saal. Dr. Ursula Weidenbach nickte ihm zu, als er an den Tisch trat. Mit Kittel, Haube, Mundschutz, Brille, Handschuhen und Gummigaloschen war sie von Kopf bis Fuß vermummt. Leyenfels hielt ein Taschentuch vor Mund und Nase gepresst. Die Leiche von Jens Flade lag entkleidet auf dem Stahltisch.
    Hämatome, Profileindruckspuren, Ablederungen und flächenhafte Abschürfungen entstellten den Körper. Gut, dass Bettina Flade ihren Mann so nicht zu Gesicht
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