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Schuhwechsel

Schuhwechsel

Titel: Schuhwechsel
Autoren: Rosa Villas
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nach Herbst. Mitten im Juni und in Spanien. Ich bin noch nicht so fit, wie ich es gerne wäre, aber beklage meinen Zustand auch nicht weiter. Es ist halt so.
    Ein Glück, dass ich zu Beginn meiner Pilgerreise schon in Santiago war. Mit Sonne und den ganzen festlichen Aufmärschen zu Ehren der spanischen Prinzessin, sieht die Stadt deutlich einladender aus, als wenn der Himmel grau und mit dicken Wolken über einem hängt. Die Kathedrale ist mitten im Stadtzentrum und sehr leicht zu finden. Nur heute nicht. Ich gehe kreuz und quer und vermutlich immer um die Kathedrale herum, aber ich kann sie nicht finden.
    Das ist ja wie verhext, Menschenskinder, wo ist die Kirche? Dieses Riesending, das man schon von weitem erblicken kann? Ich finde sie nicht.
    Nach über einer Stunde Irrgarten, frage ich eine Senora, die in ihren Händen Einkaufstüten trägt. Sie lacht und begleitet mich hin. Zweimal um die Ecke und 50 Meter weiter, stehe ich vor ihr, vor der Kathedrale von Santiago de Compostela.
    Plötzlich kenne ich mich wieder aus, deponiere meinen Rucksack im Pilgerrucksackdepot und mache mich auf den Weg in das Pilgerbüro, um meine Urkunde abzuholen.
    Vor mir in der Schlange steht ein 13-jähriger Junge mit seinem Vater und Großvater.
    „Sag mal, bist du auch den Jakobsweg gepilgert?“, frage ich ihn.
    „Ja, mit meinem Vater und dem Fahrrad.“ Eindeutig, er kommt aus dem Frankenland.
    „Hat es dir denn gefallen?“
    „Oh ja, das war total super! Zuerst wollte ich nicht, weil meine Mutter und meine Schwester in die Türkei sind. In ein fünf Sterne Hotel am Meer. Da wollte ich schon lieber hin, aber mein Vater hat mich überredet, mit auf den Jakobsweg zu gehen und ich bereue es nicht. Das war ein total toller Trip, den würde ich sofort wieder machen. Voll cool.“
    Der Kerl ist echt goldig. „Wie heißt du denn?“, eine instinktive Frage.
    „Jakob“, und er grinst.
    „Na, dann… kein Weg hätte für dich richtiger sein können, als dieser hier.“
    „Das finde ich auch. Jetzt fahren wir weiter nach Finisterre. Mein Großvater ist mit dem Auto nachgekommen und hat das ganze Gepäck dabei.“
    „Das ist ja sehr praktisch. Nach Finisterre fahre ich heute auch noch, aber mit dem Bus.“
    „Ja vielleicht sehen wir uns dann noch“,sagt er und „machs gut.“
    Und dann bekomme ich meine Urkunde ausgehändigt. Es durchdringen mich keine Schauer und ich bin nicht ergriffen. Komisch. Aber die Urkunde ist schön. Gefallen tut sie mir und vermutlich werde ich sie auch aufhängen.
    Dann streife ich durch die Stadt und esse nach zwei Wochen zum ersten Mal wieder Schokolade. Meine erste Tafel Schokolade, nach 280 km Fußmarsch. Sie schmeckt köstlich, aber nach zwei Rippchen ist mir schlecht. Das ist zuviel auf einmal. Den Rest muss ich mir einteilen. Dann kaufe ich Kettchen und Andenken für meine Kinder und meine Freunde und gehe einen Kaffee trinken. In dem Café sitzen außer mir die Österreicherinnen, die mir an dem einen Morgen mit ihrer lauten und überdrehten Quatscherei und dem Geklapper ihrer Nordic-Walking-Stöcke so auf die Nerven gegangen sind. Die Damen sind ruhig geworden. Sie nicken mir zu und sprechen in einer ganzen halben Stunde kein einziges Wort miteinander.
    Entweder haben sie sich zerstritten oder der Gesprächsstoff ist für alle Zeiten ausgegangen, oder sie sind einfach nur erschöpft. Aber sie sind in Santiago. Immerhin.
    Um halb zwölf mache ich mich auf den Weg zum Pilgergottesdienst. Ich will es wirklich versuchen. In der Kirche herrscht ein irres Gedränge. Die Kirche ist in allen Seitenflügeln und Nebenschiffen bumsvoll. Es gibt kaum mehr Plätze auf dem Fußboden, geschweige denn in den Bänken.
    Ich muss mich erst einmal orientieren. Wo ist denn der Altar geblieben? Über Lautsprecher fängt plötzlich eine zarte Frauenstimme an zu beten. Sie betet kurze Sätze vor und die Gläubigen können dann nachsprechen. Das ist vor allem für die Pilger sehr praktisch, die der spanischen Sprache nicht mächtig sind.
    Ich schaue nach, woher die Stimme kommt und sehe mitten im Raum eine uralte, kleine Nonne stehen, die ein Mikrofon hält und dort hinein betet. Nun beginnt sie zu singen. Sie singt vor und die Gläubigen singen nach. Es berührt mich, wie diese uralte, kleine und zierliche Nonne, die bestimmt schon weit über 80 Jahre alt ist, vor diesen vielen Menschen steht und mit ihrer zittrigen, aber sehr klaren Stimme, die Pilger zum Gesang animiert.
    Immerhin schaffe ich es, eine halbe
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