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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete
Autoren: Charlotte Roche
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meine Mutter wollte, habe ich in der Therapie über die Jahre gelernt, dass ich auch ein sexuelles Wesen bin. Ich lerne ganz langsam, meine eigene Lust überhaupt wahrzunehmen.
    Früher, also die ganzen letzten Jahre mit meinem Mann, war es bei uns wie das dumme Klischee, dass die Frau nie Lust hat und der Mann ständig und überall will! Wenn dann aber die richtigen Knöpfe gedrückt waren, dachte ich jedes Mal: Warum komm ich nicht selber auf die Idee? Warum verführe ich ihn nicht mal, warum muss er das immer bei mir machen? Für ihn war es sehr erniedrigend, andauernd einen Korb zu kriegen und der Initiator für unseren Sex zu sein. Hat oft zum Streit geführt. Ich hätte lügen müssen, wenn ich behauptet hätte, dass ich Lust auf Sex hatte. Hatte ich kein einziges Mal. Habe nur mitgemacht, um ihm einen Gefallen zu tun und weil ich wusste, dass unsere Beziehung sonst den Bach runtergeht. Das weiß ja jeder: Wenn es im Bett nicht mehr läuft, ist es nur eine Frage der Zeit, bis alles den Bach runtergeht. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn aber die Anfangslähmung überwunden war, bin ich jedes Mal steil gegangen. Und jedes Mal der Satz danach: Wieso erinnerst du mich nicht einfach daran, was ich für einen Spaß daran habe, dann lass ich mich auch nicht so bitten!
    Dank meiner Therapeutin fange ich jetzt immer öfter selbst an. Sage zweimal die Woche: »Heute wieder?« Beim Vorspiel kann ich nur so selbstlos sein, weil ich genau weiß, dass ich das alles immer noch und nöcher zurückkriege, später. Egal, wie viel Mühe ich mir gebe, ihn so versaut wie möglich zu befriedigen, an seine Blasekunst komme ich nicht ran. Sehr oft frage ich ihn, ob er das, was ich für ihn mache, wirklich ansatzweise so gut findet wie ich das, was er bei mir macht. Ein Dilemma. Wir werden es nie rausfinden.
    Wenn ich das Gefühl habe, dass es jetzt aber auch mal reicht mit der Bedienung, höre ich langsam auf. Das versteht er immer richtig und kümmert sich dann sehr dankbar um mich. Er macht meine Beine breit und legt sich mit dem Kopf dazwischen, damit er alles ganz genau sieht. Er untersucht mich Millimeter für Millimeter, wie ein Frauenarzt. Sagt man bei Erwachsenen auch Doktorspiele? So ist das jedenfalls. Besser, man hat wenigstens am gleichen Tag geduscht. Wer so nah guckt und riecht, bemerkt jede Unreinheit. Er nimmt meine Hand und legt sie auf meine Vagina. Ich weiß genau, was das bedeutet. Er möchte, dass ich mich für ihn selbst befriedige. Das mache ich für mich alleine nie. Meine Mutter hat mich sehr feministisch erzogen. Ich glaube, da ist irgendwas schiefgelaufen in der Erziehung, und ich bin eine Art sexuelle Katholikin geworden. Ich habe mich noch nie selbst befriedigt. Das Einzige, das im weitesten Sinne unter Selbstbefriedigung fällt, ist ein ganz verschämtes Im-Schamhaar-Rumkratzen. Ich glaube, ich betuppe mich dann selbst. Ich denke erst, ach, es juckt etwas im Schritt, dann kratz ich mich in meinem kurz geschorenen Schamhaar, meistens wenn ich im Bett liege, und merke, dass mich das erregt, und höre schnell wieder damit auf. Aus irgendeinem bescheuerten, unmodernen Grund mach ich dann nicht weiter. Ich verwechsle meine Geilheit im Schritt oft mit irgendeiner Krankheit, will es einfach nicht zugeben.
    Wenn wir ein paar Tage keinen Sex hatten und ich manchmal dieses heimliche Kratzen im Bett unter der Bettdecke gemacht habe, tut die Geilheit irgendwann richtig weh, ich will aber nicht wahrhaben, dass ich geil bin, und denke lieber, ich habe einen Pilz oder eine Blasenentzündung oder dass ich mich mit Herpes angesteckt habe. Obwohl ich total immun dagegen bin, sonst hätt ich das ja schon längst gehabt. Sagt man doch so bei Herpes, entweder man kriegt das, oder man kriegt das nicht, und ich scheine immun zu sein. Wenigstens gegen etwas. Diese Gedanken an irgendeine Krankheit bleiben im Kopf, bis ich dann irgendwann Sex habe, auf Initiative meines Mannes natürlich, plötzlich sind alle Beschwerden weggebumst.
    Wenn aber mein Mann das möchte, mach ich für ihn die größte Selbstbefriedigungsshow aller Zeiten. Wenn er zuguckt und mich dazu auffordert, dann gebe ich Vollgas. Ich reibe, und ich schubber, was das Zeug hält. Er guckt mir kein einziges Mal ins Gesicht. Ich bestehe ja dann auch nur aus Vagina! Ich bin meine Vagina. Er bleibt mit dem Kopf zwischen meinen Beinen und guckt ganz genau zu, wie ich alles abrufe, was ich je über Selbstbefriedigung im Internet und auf DVD gesehen habe. Seine Augen,
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