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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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Mathematical Sciences« wurde – in Teilzeit. »Adjunct« (außerordentlich) steht im Widerspruch zu »Lehrstuhlinhaber«, doch das kümmerte niemanden. Die Verhandlungen liefen reibungslos, weil ich die bei meinem Harvard-Abenteuer gewonnenen Erfahrungen nutzen konnte und nicht über den ursprünglichen Fünfjahresvertrag hinausdachte; tatsächlich bin ich dann 18 Jahre geblieben.
    Eigentlich hatten wir daran gedacht, in New Haven zu wohnen, es aber unpraktisch gefunden, weil ich hauptsächlich bei IBM arbeitete, und später, weil IBM einige Vergünstigungen weiterlaufen ließ. In diesen zwischen IBM und Yale aufgeteilten Jahren entließ IBM Research die Hälfte seiner Mitarbeiter, und ich ging in den Ruhestand. IBM garantierte mir den Titel eines Fellow Emeritus, die ständige Nutzung meines Büros in Yorktown und ein paar weitere Vergünstigungen, die auf zwei Jahre geplant waren, aber 13 Jahre lang weiterliefen. So zogen wir nie um und verpassten daher vieles von der Kollegialität Yales – ein echter Verlust.
    Es war mühsam, mit dem Auto zu pendeln, und Aliette tat weit mehr als ihre Pflicht, als sie den Fahrer spielte und Yale genoss, während ich arbeitete. Die einzige mit dem Pendeln verbundene erfreuliche Geschichte ereignete sich, als der Architekt Philip Johnson mich einlud, die Fahrt einmal zu unterbrechen und ihn in seinem berühmten Glashaus zu besuchen. Beim Kaffee schaute ich über das wellige Anwesen und bemerkte: »In Connecticut ist der Wald weit dichter als der hier. Es sieht aus wie der fraktale Anblick Italiens, wie Claude Lorrain es gemalt hat. Haben Sie es so eingerichtet, dass es übereinstimmt?« – »Selbstverständlich habe ich das; schauen Sie nur einmal hinter sich.« Ich drehte mich um und sah – ohne Rahmen und auf einer Staffelei – ein Bild, das auf den ersten Blick ein echter unschätzbarer Claude Lorrain war. Sprachlos vergaß ich zu fragen, ob das Gemälde ständig dort aufgebaut war.

Michael Frame, Freund und Kollege
    Ein besonderes Vergnügen meiner Jahre in Yale war die Gesellschaft Michael Frames. Ich lernte ihn bei einem Besuch des Union College, seiner früheren Arbeitsstelle, kennen. Bald darauf lud ich ihn für ein Jahr nach Yale ein, wo er für jüngere Semester einen äußerst beliebten Kurs über Fraktale abhielt. Nach mehreren weiteren Gastspielen machte Yale ihn zu einem (unentbehrlichen) außerplanmäßigen Professor.
    Michael überwachte die Einführungskurse in Mathematik, unterrichtete aber auch in einem Anfänger- und einem Fortgeschrittenenkurs über Fraktale, für die er einen umfangreichen Satz an Kursskripten vorbereitet hatte. Außerdem leitete er sehr bedeutende Sommerprogramme für Lehrer höherer Schulen. All seine Kurse sind überaus beliebt, wir haben gemeinsam Aufsätze geschrieben, und unsere Diskussionen über Mathematik und alles andere gehören zu den schönsten Aspekten meiner Zeit in New Haven.
    2002 arbeiteten wir gemeinsam an dem Buch Fractals, Graphic, and Mathematics Education, einem Sammelband mit Artikeln, die von Lehrern stammten, die fraktale Geometrie unterrichteten. Diese Lehrer waren erstmals im Dezember 1997 zusammengekommen – anlässlich einer Tagung, die Michael und ich in Yale abhielten. Soweit ich weiß, war es die erste wissenschaftliche Konferenz, die ausschließlich dem Unterricht über Fraktale gewidmet war.

Sterling-Professor für Mathematische Wissenschaften in Yale
    Nach zwölf Jahren als außerplanmäßiger Professor erhielt ich eine Festanstellung als Sterling-Professor. Der Traum eines jeden Akademikers – nicht nur in den USA – ist ein Lehrstuhl an einer großen Universität. Vielleicht hätte auch ich diesen Traum gehegt, doch nachdem ich 1945 die École Normale nach zwei Tagen verlassen hatte, verlor ich die akademische Welt aus den Augen und zog weiter. Am Ende konnte ich diesen Traum verwirklichen, aber erst im letzten möglichen Moment – 1999, mit 75 Jahren – und auf einer halben Stelle.
    Das Wort »Sterling« besitzt eine Menge Konnotationen. Für mich sollte bedeutsam werden, dass ein dankbarer Ehemaliger Yales mit diesem Namen der Universität ein Vermögen zukommen ließ. Es reichte für zwei nach ihm benannte Gebäude – eine große Bibliothek und eine angemessene juristische Fakultät – und auch für Professuren. Für sie gilt ein Auswahlverfahren, deren Ergebnisse von offensichtlich bis mysteriös reichen.
    Welche Auswirkungen hatte nun diese große Ehre der Sterling-Professur auf mich?
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