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SCHÖN!

SCHÖN!

Titel: SCHÖN!
Autoren: Rebekka Reinhard
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keine Sache des Zufalls, sondern der richtigen geistigen Einstellung. Gebrauchsanweisung III zeigt, worauf es dabei ankommt.

 
    I Körper
    I
    Körper
     

 
    »Nur äußerst kurze Zeit kann der menschliche Körper
schön genannt werden.«
    Johann Wolfgang von Goethe
    1 »Tits on Sticks«:
Warum Frauen schön sein wollen
    Seit 1968 ist viel geschehen. Die moderne Frau ist nahezu vollständig emanzipiert. Sie kann sich aussuchen, auf welche ihrer zahlreichen Errungenschaften sie am stolzesten sein möchte. Egal, welchen Weg sie geht: Sie muss sich nichts mehr gefallen lassen, nichts und niemand kann ihr etwas anhaben. Fast nichts.
    Moderne Frauen wissen um ihre Qualitäten. Nur wenn es um ihren Körper geht, versiegen die Quellen ihres Selbstwertgefühls schlagartig. Die natürlichen Feinde moderner Frauen sind der Badezimmerspiegel und die Waage. Die Frauen, denen es egal ist, wie breit ihre Hüften sind und wie viele Einbuchtungen sich auf ihren Oberschenkeln befinden, sind entweder mit einer beneidenswerten Wurstigkeit gesegnet oder gehören der künstlerischen Avantgarde an. In jedem Fall stellen sie eine unerhebliche Randgruppe dar. Alle anderen stehen unter dem ständigen Druck, gut aussehen zu müssen. Die wenigsten Frauen entscheiden sich heute für eine Heimchen-am-Herd-Existenz. Die ehrgeizigsten und mutigsten unter ihnen werden Vorstandsvorsitzende, Konzernlenkerinnen, Bundeskanzlerinnen und Friedensnobelpreisträgerinnen. Aber all ihre Erfolge können sie nicht dazu bringen, auf den selbstkritischen Blick in den Spiegel zu verzichten. Nicht in einer Welt, in der Bilder mehr zählen als Worte.
    Diese Welt ist der Planet des Menschen, des merkwürdigsten aller Lebewesen. Merkwürdig nicht nur, weil er es trotz seines erstaunlichen Intellekts immer wieder schafft, Zigtausend Tonnen Öl im Meer zu versenken und riesige Landstriche mit Radioaktivität zu verseuchen. Sondern auch, weil er aus rätselhaften evolutionären Gründen Schönheit mit Weiblichkeit gleichsetzt . Denken wir an die Herrlichkeit des Pfaus, des Erpels und des Löwen. Im Tierreich ist stets das Männchen das schöne Geschlecht. Es ist Aufgabe des männlichen Tiers, schön zu sein, während das weibliche Tier wählen darf, welchen der prächtig ornamentierten Kerle es mit nach Hause nimmt. Beim Menschen ist es umgekehrt. Egal, wie ein Mann aussieht, ob er einen klar definierten Waschbrettbauch besitzt oder eine birnenförmige Ausstülpung vor sich herträgt: Er hat die Wahl, und sie hat schön zu sein.
    Das Rätsel der Schönheit
    Aber was bedeutet das überhaupt: schön? Dass Frauen unter ihrer grobporigen Haut leiden, dass sie eine Diät nach der anderen machen oder über eine Lidstraffung nachdenken, heißt noch lange nicht, dass sie auch wissen, was schön ist. Sie wissen nur, dass sie unzufrieden sind. Ihre Unzufriedenheit hängt nicht unwesentlich mit der Inflation computerbearbeiteter Bilder zusammen. Moderne Frauen haben es mit vielfältigen Herausforderungen zu tun, zum Beispiel dem Mathematikproblem ihres Kindes oder der psychopathischen Teamleiterin in ihrer Abteilung. Doch als wäre das nicht genug, werden sie ständig und überall mit retouchierten Augenpartien in hoher digitaler Auflösung bombardiert. Kaum schlagen sie nichts ahnend eine Zeitschrift auf, kaum steuern sie in friedlicher Absicht auf das Wartehäuschen einer Bushaltestelle zu, springt ihnen ein virtuelles Wesen mit überdimensional langen Beinen entgegen, das sich in ihrem Unbewussten breitmacht.
    Trotz gegenteiliger Behauptungen der Trendforschung (s. Einleitung) haben Jugendlichkeit und Langbeinigkeit als Fundamente des aktuellen Schönheitsideals längst nicht ausgedient. Dieses Ideal manifestiert sich typischerweise in drei Varianten:
• Look 1 : ein weiblicher Oberkörper mit gut entwickelten Brüsten und prallen Lippen auf dem Unterkörper eines zwölf jährigen Jungen (abzüglich äußerer Geschlechtsmerkmale) mit schmalen Hüften und schmalem Po; von einschlägig bekannten amerikanischen Schönheitsexperten auch liebevoll als »Tits on Sticks« (Titten auf Stielen) bezeichnet
• Look 2 : eine Kombination aus barbiehafter Stupsnase, großen Augen, hoher, runder Stirn (»Kindchenschema«), blonder Mähne und ausladender Büste; dazu schlanke, durchtrainierte Gliedmaßen
• Look 3 : die präpubertäre, ausgemergelte Topmodelfigur
    Die Chance eines jungen Mädchens, so auszusehen wie ein mit Photoshop bearbeitetes Topmodel, liegt bei etwa 0 , 1 Prozent.
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