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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle
Autoren: Clive Cussler
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Beinen halten, geschweige denn wieder aufstehen konnte, wenn man einmal gefallen war.
    Vergessen waren der Hunger und der Durst; blindlings drosch in der Dunkelheit jeder auf jeden ein. Es war ein lautloser Kampf, von den Schreien der Verwundeten und dem Stöhnen der Sterbenden einmal abgesehen.
    Die Haie zogen immer engere Kreise um das Schiff, als röchen sie die Beute. Die hohe Dreiecksflosse des Scharfrichters, wie die Seeleute den großen Weißen nannten, schnitt keine anderthalb Meter neben dem Floß lautlos durch das Wasser. Keiner der Unglücklichen, die über Bord fielen, gelangte wieder auf das Floß.
    Huggins, der von fünf Säbelhieben getroffen war, torkelte mit einer langen, gesplitterten Planke in der erhobenen Hand auf Dorsett zu. »Du verfluchter Verräter!« zischte er.
    Dorsett beugte sich vornüber und hielt ihm das Messer entgegen.
    »Komm her und stirb«, sagte er ruhig.
    Toll vor Wut schrie Huggins zurück: »Du bist es, Wegelagerer, der den Haien zum Fraß fällt!« Dann senkte er den Kopf, schwang die Planke wie eine Sense und griff an.
    Als Huggins sich auf ihn stürzte, ging Dorsett auf alle viere, so daß der wutschnaubende Waliser von seinem eigenen Schwung mitgerissen wurde, über ihn stolperte und der Länge nach auf dem Deck landete. Ehe er sich wieder aufrappeln konnte, war Dorsett auf seinen breiten Rücken gesprungen, hatte die Klinge umgedreht und Huggins die Kehle aufgeschlitzt.
    »Du wirst heute abend kein Frauenfleisch genießen«, sagte Dorsett grimmig, als Huggins’ Leib im Todeskampf erschlaffte.
    Dorsett tötete in jener verhängnisvollen Nacht drei weitere Männer. Einmal griff ihn ein kleiner Trupp von Huggins’ Gefolgsleuten an, die es auf die Frauen abgesehen hatten. Auf engstem Raum und Mann gegen Mann rangen und kämpften sie miteinander, um sich gegenseitig das Lebenslicht auszublasen.
    Dann stieß Betsy hinzu und kämpfte Seite an Seite mit ihm, schrie wie eine Furie und krallte wie eine Tigerin nach seinen Widersachern. Dorsett hatte bislang nur eine Wunde erlitten. Sie stammte von einem Mann, der sich mit einem höllischen Schrei auf ihn gestürzt und ihn in die Schulter gebissen hatte.
    Das blutige Gemetzel währte noch zwei Stunden. Scaggs und seine Seeleute, aber auch Sheppard und die Soldaten kämpften mit dem Mut der Verzweiflung, schlugen jeden Angriff zurück und setzten ihrerseits sofort zum Gegenstoß an. Ein ums andere Mal wurde der Ansturm der wahnwitzigen Meute von den immer dünner werdenden Reihen der Verteidiger abgewehrt, die verbissen ihre Stellung in der Mitte des Floßes hielten. Sheppard ging zu Boden und wurde von zwei Sträflingen erdrosselt.
    Ramsey steckte einen gewaltigen Hieb ein, und Scaggs erlitt zwei Rippenbrüche.
    Zu allem Unglück war es den Sträflingen gelungen, zwei der Frauen zu töten und im Laufe des Handgemenges über Bord zu werfen.
    Schließlich aber hatten die Meuterer so schreckliche Verluste erlitten, daß sie sich einer nach dem anderen an den äußersten Rand des Floßes zurückzogen.
    Als der Tag dämmerte, lagen überall auf dem Floß die in gräßlichem Todeskampf verkrampften Leiber der Toten herum.
    Danach begann das eigentliche Grauen. Unter den ungläubigen Blicken der überlebenden Seeleute und Soldaten fielen die Sträflinge über die Leichen ihrer Gefährten her und zerfetzten und verzehrten sie. Es war ein alptraumhafter Anblick.
    Ramsey zählte die gelichteten Reihen kurz ab und stellte erschrocken fest, daß nur mehr achtundsiebzig der ursprünglich zweihunderteinunddreißig, nach dem Sturm zweihundertvier Menschen am Leben waren. Bei dem sinnlosen Gemetzel waren hundertneun Sträflinge umgekommen. Fünf von Sheppards Soldaten wurden vermißt und waren vermutlich über Bord geworfen worden; hinzu kamen zwölf tote oder vermißte Besatzungsmitglieder der
Gladiator.
Ramsey konnte kaum fassen, daß so wenige dieser gewaltigen Übermacht getrotzt hatten, doch die Sträflinge waren weder kampferprobt wie Sheppards Infanteristen noch abgehärtet vom rauhen Leben auf See wie Scaggs’ Männer.
    Das Floß lag nun, da es hundertsechsundzwanzig Passagiere weniger tragen mußte, merklich höher im Wasser. Denn alle Leichenteile, die die vor Hunger wahnsinnige Meute nicht verzehren mochte, wurden den lauernden Haien zugeworfen.
    Mühsam unterdrückte Scaggs seinen Abscheu und blickte, da er sie ohnehin nicht aufhalten konnte, einfach in die andere Richtung, als auch die Besatzungsmitglieder, vor Hungerkrämpfen
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