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Schneewittchens Tod

Schneewittchens Tod

Titel: Schneewittchens Tod
Autoren: Brigitte Aubert
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einen Rückfall …« »Was für einen Rückfall?«
    »Nach dem Tod ihres ersten Kindes wurde sie schwer depressiv. Wissen Sie, der Kleine, der im Pool ertrunken ist. Sie war mehrere Monate lang in Behandlung.«
    »Sie scheinen sehr aneinander zu hängen«, sagte Chib ins Blaue hinein.
    »Ja, sie streiten sich nie. Ich persönlich würde das langweilig finden, aber gut, jeder nach seiner Fa9on …«
    »Er gefällt sicher den Frauen, groß, blond und kräftig gebaut, wie er ist .«
    Wie Greg. Sie lachte, ein kleines perlendes Lachen.
    »Sind Sie neidisch? Also mich machen blonde Männer nicht an. Ich hab eine Schwäche für die großen brünetten Behaarten, die gefährlich aussehen«, fügte sie hinzu, als sie das Tor öffnete.
    Er setzte eine düstere Miene auf und ließ seine Bizepse spielen.
    »Tut mir Leid, aber Sie sind einfach nicht aggressiv genug«
    »Ach, ja? Wie schätzen Sie mich denn ein? Keine Angst, sagen Sie's nur, ich lache gern.«
    »Na ja, Sie sind eher von der Sorte klein und süß …«
    »Halt, hören Sie auf!«, protestierte er und stieg in seinen Floride. »Sie werden meinen Selbstmord zu verantworten haben«, rief er noch, als schon der Motor lief und sie lachend das Tor schloss.
    Und dann schämte er sich, blöde Witze gemacht zu haben, während in der Nähe ein totes Mädchen lag, und hätte um Haaresbreite die Abzweigung verpasst.
    »Klein und süß!« Ein hübscher kleiner schwarzer GI, Miniaturausgabe seiner Papas. Ein kleiner schwarzer GI für Blanche. Mist, warum hatte er das gedacht? Sie gefiel ihm nicht einmal. Aicha war hundertmal attraktiver.
    Zurück in seinem Atelier, bereitete er sein Material vor und schob Signor di Fazio in ein Kühlfach. Auf seinem Anrufbeantworter war eine Nachricht von Greg, der ihm mitteilte, dass er Pam und Sophie flachgelegt hätte. »Super, muy caliente, du hättest bleiben sollen.« Und dass sie nach Monaco fahren würden, um im Hotel de Paris zu frühstücken.
    Er löschte die Nachricht und fragte sich, was Greg wohl zu Blanche Andrieu sagen würde. »Dringend auftauen!«, wäre wohl die harmloseste Variante. Nur dass eine Frau, die trauert -die schlimmste Trauer, die um ihr eigenes Kind -, gewiss nicht wie sonst handeln würde.
    Gut, genug von Blanche Andrieu. In wenigen Stunden würde ihre kleine Tochter hier liegen und sein Messer in ihr bleiches Fleisch eindringen. Er holte tief Luft und nahm die Meditationshaltung ein. Ein wenig innere Leere wäre gut.
    Doch an die Stelle der Leere traten plötzlich Schreie. Der Schrei der kleinen Elilou, die über die Rampe fällt. Der Schrei von Aicha, als sie den leblosen Körper entdeckt. »Madame, Madame, kommen Sie schnell, es ist schrecklich!« Die Schreie von Blanche Andrieu, rau, fast wie das Brüllen eines Tiers, und das blasse Gesicht von Jean-Hugues Andrieu, versteinert, ein Glas frisch gepressten Orangensaft in der Hand. Das Hämmern der Absätze auf den Fliesen, die Sirene in der Ferne, das lammern der anderen Kinder, die in ihr Zimmer gebracht werden, schnell. »Aicha, helfen Sie mir.«
    Er befahl den Andrieus, aus seinem Kopf zu verschwinden mit ihren Dramen, ihrem Kummer, ihren Schreien. Doch sie weigerten sich, setzten sich fest, pressten sich stöhnend an die Decke seines Schädels, und er musste lange eiskalt duschen, um sie zu vertreiben.
    Als die Türglocke ertönte, war er bereit. Die Instrumente waren aufgereiht. Die Stereoanlage war eingeschaltet, der CD- Player angestellt, Tom Waits bereit zu singen Cold was the night, hardwas the ground …
    Lucas und Michel traten ein und ärgerten einander mal wieder. Die beiden Männer erinnerten ihn immer an Laurel und Hardy. Lucas, ein glatzköpfiger Koloss, stand kurz vor der Pensionierung. Michel, ein kleiner kesser Rotschopf wog kaum mehr als sechzig Kilo. Um ihr Gehalt ein bisschen aufzubessern, machten sie Überstunden und liehen sich den Leichenwagen ihres Chefs. Lucas hatte ständig Rückenschmerzen, und Michel trank zu viel, sein Arzt hatte ihn schon gewarnt.
    »Sollen wir ihn wie immer abstellen?«, erkundigte sich Lucas, der den kleinen plombierten Sarg unter seinen gewaltigen Arm geklemmt hatte wie einen großen Koffer.
    »Hier die kleine Rechnung!«, rief Michel und nahm seine Schirmmütze ab. »Haben Sie was zu trinken? Ich krepiere vor Durst!«
    Er bot ihnen zwei gut gekühlte Bier an, zahlte sie in bar aus und schloss erleichtert die Tür, denn er hatte es plötzlich eilig, sich an die Arbeit zu machen. Erneutes Klingeln an der Tür.
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