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Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Titel: Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Autoren: Sabine Trinkaus
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umsonst
geangelt worden, so eine Schand!«
    Franz-Xaver, der Maître d’hôtel der »Alten Eiche«, der vehement
darauf bestand, nicht Oberkellner genannt zu werden, war durch die Schwenktür
hereingerauscht und schaute mitleidig auf die ehemals rote Rotbarbe.
    »Wo bist mit deinen Gedanken, großer Maestro? Auf jeden Fall net
beim Probekochen!«
    Die süffisante Art des alten Freundes holte Julius wieder ins Hier
und Jetzt. Zugleich merkte er, wie seine familiären Gene sich lautstark zu Wort
meldeten.
    »Ich muss zu meiner Großkusine. Die Arme, wer weiß, wozu sie jetzt
fähig ist …«
    »Deine Großkusine? Meinst die Gisela, die Frau vom Siggi?«
    »Ich hab jetzt keine Zeit. Hör’s dir im Radio an. Ich weiß nicht,
wann ich wiederkomme. Du musst hier solang das Zepter schwingen. Wir nehmen
noch mal die Karte von gestern.«
    Und weg war er durch die Hintertür. Julius hatte noch aus den
Augenwinkeln erkennen können, dass Franz-Xaver ihm fragend hinterherschaute.
Die beiden kannten sich schon lange, hatten gemeinsam ihre Ausbildung im
Münchner »Tantris« absolviert, als noch der große Witzigmann dort kochte. Sie
hatten über die Jahre, auch in den schweren Anfangszeiten der »Alten Eiche«,
immer zusammengehalten. Franz-Xaver wunderte sich bestimmt, warum er so kurz angebunden
war. Aber für lange Erklärungen hatte Julius keine Zeit.
    Noch in voller Kochmontur schwang er sich in seinen
Audi A4 und brauste auf die
Landskroner Straße Richtung Dernau. Schaltete in den Vierten, in den Fünften,
fuhr achtzig und damit zehn mehr als erlaubt und kam mit quietschenden Bremsen
wenige Zentimeter hinter der Stoßstange einer Euskirchener Familienkutsche zum
Stehen. Julius konnte erkennen, dass vor diesem weitere Euskirchener,
Bergheimer, Bonner und Kölner standen. Stange an Stange, in ihren faradayischen
Käfigen die wunderbare Natur des Ahrtals genießend. Denn es war Sonntag.
Sonntagmittag. Und der Weg von Heppingen bis Dernau war verstopft mit
unternehmungslustigen »Ahrschwärmern«, die ihr Wochenende in Strömen von
Federweißem ersäufen wollten. Und für die Zwiebelkuchen an diesen Tagen den
Höhepunkt der abendländischen Kochkultur darstellte. Es gab keinen Schleichweg,
keine Abkürzung und auch keinen Feldweg, der sich zweckentfremden ließ. Das
Ahrtal war einfach zu eng, um mehrere Durchgangsstraßen zu beherbergen. Julius
spürte, wie die Wut in ihm hochstieg und sich in einigen gezielten Schlägen auf
sein Hartplastik-Lenkrad entlud. Sonst machte er am Wochenende keinen Schritt
vor die Tür. Er hasste Menschenmassen. Und er hasste es zu warten. Jetzt stand
er inmitten von Menschenmassen und wartete.
    Julius wollte, um sich zu entspannen, auf die Weinberge blicken, die
sich jetzt im Oktober so wundervoll verfärbten. Manchmal jede Reihe in einem
anderen Ton, so dass sie wie große Papiergirlanden wirkten, die ein gut
gelaunter Riese über die Rebgärten gehängt hatte. Heute aber waren sie vor
lauter Touristen kaum zu sehen. Wie Heuschrecken waren sie ins Tal eingefallen,
ihre Goretex-Jacken um die Hüften geschwungen und gefräßig die reifen Trauben
vom Wegesrand essend, die bunten Blätter von den Rebstöcken reißend, um einen
Strauß zu sammeln.
    Der Radiomoderator unterbrach das laufende Musikstück für eine
Sondermeldung. In diesem Moment war es ausnahmsweise gut, dass der Verkehr sich
staute. Mit voller Geschwindigkeit wäre Julius vor Überraschung bestimmt in den
Vordermann gerauscht.
    »Wie wir gerade erfahren haben, ist der Top-Winzer der Ahr-Region,
Siegfried Schultze-Nögel, vermutlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen.
Näheres in den Nachrichten um 13.00 Uhr.«
    Erst eine halbe Stunde später, nachdem er von unzähligen
Motorrädern überholt worden war und sich etliche stolz im Stau spazieren
geführte Oldtimer vor ihm in Parklücken gequält hatten, tauchte vor Julius wie
eine Erlösung die orange leuchtende Tankstelle am Ortseingang von Dernau auf.
Noch einmal abbiegen, und er konnte vor dem Hintereingang des Weingutes parken,
direkt gegenüber dem kleinen katholischen Friedhof. Die Wagen der Sippe standen
schon vor dem Haus, aber nicht wie sonst ordentlich in Reih und Glied geparkt,
sondern geradewegs dort abgestellt, wo Platz war. Kreuz und quer. Alle waren
sie schon da: Onkel Jupp und Tante Traudchen, Kusine Anke mit Anhang, Großtante
Käthe, Vetter Willi, dessen Frau Gertrud, Annemarie und der Rest des über das
gesamte Tal verstreuten Eichendorff-Nögel-Burbach-Clans oder
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