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Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Titel: Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Autoren: Sabine Trinkaus
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lag der Raum
still, als wäre nie etwas Ungewöhnliches geschehen. Der süße Duft vergärender
Maische lag schwer und beruhigend über der Szenerie. An den Seiten aufgereiht
ruhten Barrique-Fässer, den Raum einrahmend, in dessen Mitte die hölzerne
Neuerwerbung aus Frankreich stand. Eine kleine Leiter führte hinauf, so dass
man leichter ins Innere blicken konnte. Julius nahm die Stufen flinker, als es
sein von vielen Sahnesaucen harmonisch gerundeter Körper erwarten ließ, und sah
nachdenklich über den leise blubbernden, roten See, auf dem der Tresterhut wie
grobe Marmelade trieb. Hier hatte Siggi also sein Ende gefunden. In seinem
geliebten Wein zur Ruhe gebettet. Darüber hätte er laut gelacht, und es hätte
wie das Bellen eines großen Hundes geklungen.
    Ein Geräusch schreckte Julius aus seinen Gedanken. Es klang, als
würde jemand etwas über den rauen Betonboden schleifen. Hinter dem
Maischebottich tauchte ein im Tal allseits bekannter Charakterkopf auf. Wie
eine Birne geformt, mit einer eckigen Brille aus massiven Glasbausteinen,
welche fast die gesamte obere Gesichtshälfte einnahm. Dazu ein Körper, der wie
ein Heißluftballon wirkte. Dr. Gottfried Bäcker ähnelte seinem Parteigenossen
aus Oggersheim wie ein jüngerer, ungepflegterer Bruder. Eine Schweißperle rann
ihm über die Stirn.
    »Hallo Julius, grüß dich. Schlimme Sache das. Mein Beileid!«
    Julius kletterte die Leiter herunter. Der Landrat reichte ihm die
Hand.
    »Dank dir. – Aber was ist denn nun eigentlich genau passiert?«
    »Hat dir noch keiner …?«
    Julius schüttelte den Kopf.
    »Er ist in diesem Bottich hier gefunden worden. Mit einer großen
Wunde am Hinterkopf. Es muss ihn jemand mit einem schweren Gegenstand
geschlagen haben, und dann ab in die Maische.«
    »Weiß man schon, wer?«
    »Neeein. Wer könnte unserem Siggi denn schon was Böses wollen? Da
fällt mir keiner ein …«
    Das konnte Julius nicht durchgehen lassen. »Natürlich war er ein
großer Winzer. Aber er war kein einfacher Charakter, Gottfried. Ein Unbequemer,
ein Querkopf, das war er.«
    »Aber unser Querkopf! Ein schwerer Verlust
für uns alle …«
    Julius nickte. Obwohl er Bäcker aus mehr als einem Grund nicht
gewählt hatte, fand dieser doch häufig die richtigen Worte.
    »Ich finde es sehr mitfühlend, dass du deine Aufwartung machst. Das
bedeutet der Familie bestimmt viel.«
    Bäcker lächelte. »Das ist doch selbstverständlich bei besonders
verdienten Mitgliedern unseres Kreises. – Ich muss jetzt aber auch schon
weg. Es war schön, dich mal wieder gesehen zu haben! Ich hoffe, die Geschäfte
laufen gut?«
    »Könnten nicht besser gehen.«
    »Gut. Gut. Bis dann!«
    Weg war er.
    Bäcker hatte Recht, dachte Julius und strich über seine verbliebene Lockenpracht,
die sich wie ein lorbeerner Siegerkranz um den kugeligen Kopf zog. Siggi war
zwar ein Enfant terrible und zuweilen ein grober Klotz gewesen, aber zu viele
profitierten von ihm. Und doch musste es jemanden gegeben haben, der mehr
Nutzen aus seinem Tod zog. Der Mord ging Julius an die Nieren, mehr als das.
Die Vorstellung, wie Siggi tot im Bottich trieb, ließ ihn schaudern. Dies war
nicht das friedliche, beschauliche Ahrtal, das er liebte.
    Wieder im Probierraum entdeckte Julius ein unbekanntes Gesicht. Eine
junge Frau im grauen Kostüm sprach eindringlich mit Gisela. Bevor er sich
erkundigen konnte, wer dort gekommen war, beantwortete Jupp schon die Frage.
    »Die da ist von der Polizei. Haben sie aus Koblenz geschickt. Das
kann doch nix geben! Da wird unser größter Winzer ermordet, und die
schusseligen Anrheiner schicken uns ihr jüngstes Gemüse. Denen werd ich was
erzählen! Gleich morgen ruf ich da an, das versprech ich dir!«
    Julius war froh, dass er an diesem Abend arbeiten musste.
Er war froh über jedes Ossobuco mit Spätburgundertrauben, jedes »Dreigestirn«,
jedes Wildschweinfilet an grünem Spargel und Morcheln, jedes Gigot vom
Milchlamm, das er mit seinem innig geliebten Wüsthof-Messer bearbeiten konnte,
und erst recht über jede aufwändige Languste auf Blattspinat mit
Krebsrahmsauce. Er war froh über jedes Stück, das er in die Pfanne legen, jedes
Gewürz, das er zugeben konnte, jede Dekoration, die es auf einem Teller zu
drapieren galt. Das lenkte ab und ließ ihn nicht an den Mord in der Kelterhalle
denken. Nur einmal wurde sein Gedächtnis unangenehm aufgefrischt, als
Franz-Xaver, chronisch unsensibel, wie es seine Wiener Art war, mit süffisantem
Lächeln erzählte, dass die
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