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Schnabel, Andreas

Schnabel, Andreas

Titel: Schnabel, Andreas
Autoren: Tod inclusive
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sich ergieße.«
    Gierig begann der Alte, seinem Opfer Stirn und Ohren abzulecken. Ein letztes Aufbäumen, dann sackte Freiherr Guntram von Michelsen zu Ahrenshoop tot in sich zusammen.
    Zufrieden betrachtete sein Peiniger den leblosen Körper. »Ist es nicht wunderbar, sich nächtliche Stunden mit verlöschendem Leben zu versüßen«, murmelte er und strich ihm fast liebevoll den kalten Todesschweiß von der Stirn.
    *
    Heute war zwar Mittwoch, also Markttag, dennoch gab es endlich mal etwas Luft auf der Plaça Mayor. Es war Fiesta. Normalerweise war die Plaça als Zentrum des Marktes den einheimischen Obst-und Lebensmittelverkäufern vorbehalten. Nicht so in der Woche der Fiesta, da mussten selbst sie an die alte Eselstränke hinter der Kirche ausweichen. »St. Jaume«, ein Feiertag, den es nur in Santanyí gibt, wird um den 25. Juli herum gefeiert. Zu Ehren von Jaume, dem Schutzheiligen der kleinen Kreisstadt im Südosten Mallorcas.
    Michael Berger, den alle nur »Residente« nannten, war seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder rundherum glücklich. Dementsprechend zufrieden lehnte er sich auf einem Stuhl seiner Stammbar, der Bar »Sa Plaça«, zurück und strich sich mit der flachen Hand über seinen kahl geschorenen Kopf. Es war für ihn auch jetzt, nach Monaten, noch immer ein unfassbares Hochgefühl, neben dieser wunderschönen Frau sitzen zu dürfen. Er war Mitte fünfzig, bis über beide Ohren in Gräfin Rosa von Zastrow verliebt und von der Liebe und Wärme, die er durch sie erfuhr, geradezu überwältigt. In solchen Momenten des Glücks dachte er manches Mal an die Zeit zurück, als er seine Familie in Köln durch einen Brand verloren hatte, und sah dann wieder die kleinen, durch die enorme Hitze verkrümmten Leiber seiner Lieben vor sich, die nur notdürftig von einem Papierlaken bedeckt im Straßendreck lagen. Schwer traumatisiert war er vor sich und allem Irdischen geflüchtet, hatte seinen Posten als Kriminalhauptkommissar der Kripo Bonn aufgegeben und war als verlotterter Privatdetektiv hier im Südosten Mallorcas gestrandet. Wie sicher er sich damals gewesen war, nie wieder in seinem Leben lachen, geschweige denn lieben zu können! Und nun saß dieser Traum von einer Frau neben ihm und hatte versprochen, ihn sogar zu heiraten. Wie sehr hatten sie erst gestern Abend zusammen gelacht, und wie unvergleichlich war die vergangene Nacht gewesen. Dass sie sich weiterhin siezten, entsprach seinem Wunsch und wirkte seiner Angst entgegen, denn all die Menschen, die er geduzt hat, waren inzwischen tot. Ein »Sie« zwischen ihnen war für ihn die Garantie, dass seiner Gräfin nichts passieren würde.
    Er hatte die blonde, zierliche Mittvierzigerin hier auf Mallorca kennengelernt. Die Gräfin war auf die Insel gekommen, um sich um die Beisetzung ihres hier verstorbenen Mannes zu kümmern, und er hatte ihr dabei geholfen. Im Gegensatz zu ihr, die zuvor nie auf Mallorca gewesen war, beherrschte er Mallorquin und hatte zudem nicht auf die gute Bezahlung verzichten können. Ganz nebenbei war es ihm damals gelungen, die Gräfin vor dem raffgierigen Spross einer russischen Mafiafamilie zu schützen, der es auf ihre frisch geerbte, dreihunderttausend Quadratmeter große Finca mit großem Herrenhaus und Meerblick abgesehen hatte. Im Gegenzug rettete ihn die Gräfin vor dem Finanzamt. Damit er endlich eine Sozialversicherungsnummer und damit auch eine Aufenthaltsgenehmigung bekam, gründete sie eine Detektei und stellte ihn ein. Irgendwann hatte er sich schließlich seine Liebe zu dieser phantastischen Frau eingestehen müssen, die eigentlich schon vom ersten Augenblick da gewesen war, als sie die Bar Sa Plaça betreten hatte.
    Es war aber nicht nur die Liebe zu Gräfin Rosa, die sein Glück ausmachte, es war das Zusammensein mit seiner ganzen Familie, wie er den bunt zusammengewürfelten Haufen von Lebewesen nannte, die auf dem gräflichen Anwesen seitdem ein Zuhause gefunden hatten.
    Da war zum Beispiel Tomeu, ein ehemaliger Strafgefangener, der als Gutsverwalter für die Gräfin arbeitete. Der stotternde vollbärtige Riese hatte etwas von einem pechschwarzen Yeti, aus dessen Fell die beiden gütigsten Augen hervorstachen, die man sich nur vorstellen konnte. Vermutlich war genau dieser Blick der Grund, weshalb sich Carmen Lukas, die bildschöne Assistentin des Comisarios, in ihn verliebt hatte. Dass die beiden immer wieder scherzhaft als »Die Schöne und das Biest« bezeichnet wurden, kam nicht von ungefähr. Tomeu
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