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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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sie war nicht die Richtige gewesen. Keiner hatte sie jemals wirklich besessen, keiner. Nur dieser Mann, der gekonnt den Hummer zerlegte und sie indessen zwang, ihm die Geschichte zum x-ten Mal zu erzählen (die Details, alle Details … ich habe ihm gesagt, ich sei mit Secco zusammen, und wenn er der Sache nachgeht? Das wird er nicht! Ich kenne ihn! Und wenn er es doch tut? Dann sage ich, dass ich ihn eifersüchtig machen wollte. Wie bist du nur darauf gekommen! Einfach so, da gibt es keinen wirklichen Grund … Ach, meine Kleine, und er hat zu mir gesagt, dass mir Schwarz steht, immerhin hat er mir zu Schwarz geraten … So haben wir zumindest eines gemeinsam …)
    Nur dieser Mann.
    Nach dem Sex hielt er sie lange umschlungen. Patrizia lächelte. Einmal, ganz am Anfang, hatte sie ihm gesagt, dass für sie die Umarmung danach das Allerschönste sei. Er hatte sie ernst genommen. Er hatte daraus eine Sache der Ehre gemacht. Auch aus diesem Grund war sie ihm dankbar: dass auch er hin und wieder ein Mann wie jeder andere war.
    Stalin begann leise zu schnarchen. Sie löste sich aus seiner Umarmung und glitt aus dem Bett. Lief ins Kabinett. Ihren Zufluchtsort. Machte das Licht an. Die Plüschtiere, die sie sammelte, saßen da und sahen sie aus ihren klaren Glasaugen an. Augen wie die seinen, dachte sie. Patrizia hatte das Gefühl, als ob die Plüschtiere den Blick abwendeten. Missbilligten sie etwas? Und war das überhaupt wichtig?
    Manchmal kam sie sich vor wie eine Puppe, die in den Händen eines launenhaften Jungen gelandet war. Vor allem dann, wenn er weit weg war. Tage oder Wochen der Einsamkeit. Das war Freiheit! Aber diese Freiheit ging nicht mit Euphorie einher. Keiner Leidenschaft. Sie wusste nicht, was sie mit der Freiheit anfangen sollte. Sie schloss sich zu Hause ein. Wartete. Dann kam er zurück, mit einem Lächeln anstatt einer Erklärung. Und alles begann von vorne. Ihr Eingesperrtsein, ihre Befriedigung. Stalin sprach oft von der Zukunft. Wenn sich alles zum Guten wenden würde. Und er zurückbekommen würde, was er aufgrund des Verrats und des Betrugs verloren hatte. Sie hörte ihm verständnisvoll zu. Sie wusste, dass genau in dem Augenblick, in dem Stalin bekam, was er sich wünschte, alles zu Ende gehen würde. Patrizia glaubte nicht an die Zukunft. Die Zukunft konnte nur schrecklicher sein als die Gegenwart.
    – Schaut mich an, flüsterte sie provokant in Richtung der Stofftiere, ich bin hier. Ich bin die Gegenwart!
    Sie ging zur Leopardenmutter hin, die mit gerunzelter Stirn ihren Wurf betrachtete, und schob sie vorsichtig zur Seite. Die Leopardenmutter bewachte auch noch etwas anderes. Sie bewachte das Foto, auf dem sie und Stalin in Taveuni zu sehen waren. Im Hintergrund befand sich das Schild des
Pacific Resort
. Das Foto hatte hundert Neuseelanddollar gekostet. Stalin hasste es, fotografiert zu werden. Wenn er geahnt hätte, dass ihn der fette, lächelnde Eingeborene in Wirklichkeit heimlich fotografierte, hätte er eine schöne Szene gemacht. Oder vielleicht hätte er ihn auch nur mit seinen kalten, eisblauen Augen angeblickt und ihn freundlich aufgefordert … hätte ihm freundlich befohlen, das Negativ zu zerstören. Dann wäre sie bestraft worden. Wie sie es verdiente.
    Auf die Rückseite hatte sie geschrieben: „Für Kommissar Scialoja, aus einem anderen Leben. Patrizia.“
    Mehrmals war sie drauf und dran gewesen, es abzuschicken. Aber dann hatte sie es doch nicht getan. Es war ihr Bindeglied zu einem Mann, der ihr einen Namen gegeben hatte. Ihrem Mann. Der zurückgekommen war.
    Und war es denn so wichtig, dass das alles einen Preis hatte?
    War das Leben denn nicht ein ständiges Geben und Nehmen?
    Und war ihr im Gegenzug nicht schon mehr Glück beschieden, als sie jemals zu hoffen gewagt hatte? Sie war es ihm schuldig. Und sie würde es tun. Sie würde es für ihn tun. Sie würde Scialoja wieder nahekommen. Es würde ihr gelingen.
    Sie legte das Foto wieder hin, nahm eines der Leopardenbabys, wobei sie seiner Mutter tröstliche Worte zuraunte, und ging damit ins Bett.
    Stalin spürte, wie sie neben ihm ins Bett schlüpfte, tat aber, als würde er schlafen. In gewissen Augenblicken ging ihm Patrizias unterwürfige Zärtlichkeit ordentlich auf die Nerven.
4.
    Scialoja tauchte um ungefähr zehn Uhr abends auf. Mit einer Flasche in einer roten Schachtel und gleichfarbigen Rosen.
    Patrizia hatte ihn gerade in dem Augenblick angerufen, als seine Auseinandersetzung mit Camporesi ihren Höhepunkt
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