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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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Patrizias Wohnung wieder. Das Licht war an. Sollte er hinaufgehen? Sie wiedersehen? Vor zwei Tagen hatten sie gemeinsam über die alten Zeiten gelacht. Ein ehemaliges Liebespaar, dem die Leidenschaft abhandengekommen war. Erfahren und abgeklärt und nicht länger bereit, sich von der Flut der Gefühle überrollen zu lassen. Aber das war nur eine bittere Maskerade gewesen. Er begehrte sie noch immer. In der Stille des bürgerlichen Wohnviertels Parioli glaubte er, unterdrücktes Lachen zu hören. War jemand bei ihr? Patrizia hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sie ein Verhältnis mit Secco, dem König der Geldwäscher, hatte. Sie verschwendete sich also noch immer an unbedeutende Männer. Und vielleicht glaubte sie, er sei wie alle anderen auch. Patrizia war seine große Niederlage. In den Nächten, die er mit willfährigen Nutten verbrachte, dachte er nur an sie, fühlte schmerzhaft ihre Abwesenheit. Dennoch hatte er sie zurückgewiesen. Er hatte beschlossen, die Leidenschaft auf immer und ewig in einen Winkel der Erinnerung zu verbannen. Sonst würde die Mauer, die er zwischen sich und den anderen errichtet hatte, zerbröckeln. Die Mauer, die ihm Respekt, Bewunderung, Erfolg garantierte.
    Unzufrieden fuhr er weiter. Er war nicht bereit. Noch nicht.
    Erfolg & Einsamkeit, ein untrennbares Paar. So wie Begehren & Ruin.
3.
    Patrizia zog die rosaroten Vorhänge zu und drehte sich um.
    Mit Sakko und Krawatte und mit einem freundlichen, zweideutigen Lächeln auf dem Gesicht goss Stalin Rossetti
Pouilly fumé
in zwei Gläser. Der Hummer stand zwischen zwei Gedecken auf dem langen Tisch in der Küche der Marke Merloni.
    – Stell sie bitte wieder hin, flüsterte sie.
    Er stellte die Gläser auf den Tisch, nickte, nestelte an den Armaturen der Bang&Olufsen-Anlage herum. Die Klänge von
Wonderful Tonight
ertönten. Ihr Lied! Eric Clapton entlockte seiner Gitarre klagende Töne, ein Labsal für das Herz. Patrizia wollte nicht, dass Stalin Rossetti sah, wie sie von Rührung ergriffen wurde. Auf der Straße saß einer in einem blauen Auto. Offenbar blickte er zu ihrer Wohnung herauf. Verschwinde, wollte sie schon schreien, verdirb mir nicht den magischen Augenblick. Es ist nicht deiner. Nur meiner, meiner. Und er wird nicht lange dauern.
    Während er ihr den Champagner reichte, fragte Stalin Rossetti, ob Scialoja sie aufgesucht hätte.
    – Nein.
    – Muss ich mir Sorgen machen? Es sind schon zwei Tage vergangen!
    – Es wird nicht funktionieren.
    – Wie meinst du das?
    – Ich war zu …
    – Zu hart? Zu abweisend?
    – Zu frivol. Er war abweisend.
    – Du wirst ihn wiedergewinnen.
    – Er hat … sich verändert. Er ist anders geworden.
    – Das musst du mir erklären.
    – Er ist kalt. Kälter. Ich erkenne seinen Geruch nicht wieder. Früher musste ich ihn nur ansehen und wusste, dass er erregt war, früher …
    – Du hast ihn ja erst einmal getroffen. Wir lassen nicht locker. Du bist ja bestens ausgestattet …
    – Vielleicht bin ich auch nicht mehr die, die ich einmal war.
    – Vergiss nicht, du bist immer noch Patrizia.
    – Es wird nicht funktionieren.
    Stalin nahm ihr das Glas aus der Hand und küsste sie auf den Hals.
    – Ich verlasse mich auf dich. Enttäusch mich nicht.
    Mit angespanntem Lächeln senkte sie den Kopf. Stalin entging nicht, dass ein kurzes Beben durch ihren Körper gelaufen war. Ein genussvolles, aber auch ängstliches Beben.
    – Du weißt ja, wie wichtig das alles für uns ist.
    Am liebsten hätte sie ihm geantwortet: Nein, das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass du lügst, wenn du sagst, „wichtig für uns“. Du bist freundlich, aber insgeheim betrügst du mich.
    – Ich werde es noch mal versuchen, flüsterte sie.
    – Komm her.
    Im Grunde war es ihr egal. Sie fand nichts dabei, zu betrügen und betrogen zu werden. Auszunutzen und ausgenutzt zu werden. Allein die Gegenwart zählte. Die Gegenwart in ihrem großen Penthouse in Parioli, mit Musik, französischem Wein und all dem Rest. Der Traum, dem sie auf geheimnisvolle und unklare Weise treu geblieben war. Ihr Leben war nichts anderes als ein langer, trüber Fluss voller Wirbel und Untiefen. Keiner hatte jemals die kleine Cinzia begehrt, die sich hinter der Maske jener, die alle kaufen konnten, verbarrikadierte. Weder Scialoja mit seiner Zweideutigkeit und seiner leidenschaftlichen Besitzgier. Noch Dandi, der kleine Straßenräuber, der ihr das Paradies versprochen hatte. Wie sehr er sie doch geliebt hatte! Auf seine Weise natürlich. Aber
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