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Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Schluss mit dem ewigen Aufschieben

Titel: Schluss mit dem ewigen Aufschieben
Autoren: Hans-Werner Rückert
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durchgeht, und Ihr kleines Reiterchen oben drauf, das lenken möchte, einfach nicht zu einer Ganzheit zusammen.
     Trotz aller gegenteiliger Erfahrung verlangt Ihr Ich weiterhin heroisch, dass Sie gegen die abgespaltene, nicht ins Selbst
     integrierte Schwäche ankämpfen.
    Die Hoffnung auf mehr Selbstkontrolle kann zur fixen Idee werden und sich zur Allmachtsphantasie auswachsen. Ihr reales Misslingen
     führt bei Ihnen nicht in erster Linie zu Schuldgefühlen und Versagensangst. Stattdessen fühlen Sie sich reduziert auf Ohnmacht
     und Hilflosigkeit. Wahrscheinlich haben Sie diese Gefühle in Ihrer Lebensgeschichte als so unerträglich erlebt, dass Sie sie
     aus Ihrer Existenz ausgeschlossen haben. Die Fantasievorstellung, dass Sie Herr im eigenen Haus sind, sein sollten und sein
     könnten, richtet sich gegen Ihre traumatischen Erfahrungen mit Unkontrollierbarkeit.
    Ihr Stolz steht auch in Beziehung mit anderen Menschen beziehungsweise den inneren Abbildern von anderen Menschen, die für
     Sie wichtig waren und sind. Die Art der Beziehung ist dabei meistens eskalierend, nach dem Modell des Rüstungswettlaufs, wo
     keiner sich unterkriegen lässt. Das heißt auch: Sie stehen grundsätzlich in innerer Opposition. Wenn Ihr Chef argwöhnt, dass
     Ihr Aufschieben eine Charakterschwäche von Ihnen sei, dann können Sie symmetrisch reagieren, indem Sie es ihm übelnehmen,
     und eskalierend, indem Sie |283| es ihm zeigen wollen. Also schieben Sie eine Zeitlang nicht auf. Aber, wie Sie oben schon gesehen haben: Wenn Sie das durchhalten,
     wird sich nach einer gewissen Zeit Ihre eigene unbewusste Opposition wieder melden und bald sind Sie wieder voll drauf.
    Es ist klar, dass solche Verhältnisse einen extrem unangenehmen inneren Zustand schaffen, wenn Sie an einem Vorhaben arbeiten.
     Für den Alkoholiker, der gegen die Flasche kämpft, kann es eine Alternative darstellen, sich zu betrinken. Für Sie, der sich
     um Erledigung bemüht, kann es eine ersehnte Entlastung sein, sich schließlich dem Aufschieben hinzugeben. Was dem Alkoholiker
     der Rausch, bedeutet Ihnen die Flucht vom Schreibtisch, das Hängenbleiben vor dem Fernseher, das Verstreichenlassen der Deadlines.
     Sie steigen aus der kämpferischen symmetrischen Beziehung zu realen oder verinnerlichten anderen Personen aus, indem Sie sich
     Ihrer Verachtung und Ihrem Misstrauen unterwerfen. »Du schaffst es sowieso nicht«, sagten Sie oder sagen Ihre verinnerlichten
     Stimmen, »du bist einfach zu schwach, du bringst es nicht!« Nach all dem anstrengenden Kampf um Selbstbeherrschung, nach all
     der inneren Opposition ist es für Sie eine Erleichterung, endlich klein beizugeben: »Ihr habt ja Recht mit Eurer Verachtung,
     aber darf ich mich jetzt endlich vom Stress, vom Kampf und von der Unlust befreien?« Das aktuelle Aufschieben beendet den
     Kampf, bringt Sie in Übereinstimmung mit dem Urteil der anderen und vertagt die inneren wie die zwischenmenschlichen Konflikte.
     Sie ruinieren durch Ihr Verhalten das Konzept der Selbstkontrolle, dem Sie in Worten immer beipflichten. Erst das Eingeständnis,
     ein Mensch zu sein, der aufschieben muss, der mit seiner Sucht eine Einheit bildet und sich ihr eben nicht kämpfend entgegenstellen
     kann, öffnet den Weg aus Ihrer Krankheit.
    Als jemand mit einem extremen Aufschiebeproblem machen Sie immer wieder neue Anstrengungen, so etwas wie Selbstkontrolle zu
     probieren. Aber Ihre Erfahrungen sprechen dafür, dass Sie sich nicht selbst kontrollieren können. Ihre abschließende Vermeidung
     des Vorhabens und die Zuflucht zu etwas Einfacherem, Lustvollerem und Bequemerem ist wie eine im Verhalten gestaltete Aussage,
     dass Selbstkontrolle für Sie ein unmögliches Konzept sei. Je mehr Sie es damit versuchen, desto unweigerlicher landen Sie
     beim Aufschieben.
    |284| Schluss mit den Lebenslügen
    Wenn Sie sich ganz genau und ehrlich beobachten, dann werden Sie als extremer Aufschieber merken, wie Sie bereits beim Aufstellen
     eines Arbeitsplanes die Hintertüren öffnen und aktiv dafür sorgen, dass »es nicht klappt«. Sie sind entschlossen, eine Theorie
     der Selbstkontrolle zum Scheitern zu bringen, mit der Sie sich zutiefst identifiziert haben. Sie ahnen oder wissen, dass Ihre
     immer wieder vorgebrachten Ankündigungen, dass Sie das nächste Mal wirklich pünktlich sein und dass Sie nicht mehr aufschieben
     werden, Lügen sind.
    Nach dem jeweiligen Aufschieben kommt der moralische Katzenjammer. Möglicherweise haben Sie
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