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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
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Heringen. Ich sah die beiden Heringe an, die beiden Heringe sahen mich an, wir schwiegen alle drei. Erst als die Fähre landete, lebte ich wieder auf. Und die Prinzessin strich mir leise übers Knie und sagte ehrfürchtig: »Du bischa meinen kleinen Klaus Störtebecker!« Und ich schämte mich sehr.
    Und dann ruckelten wir durch Laaland, das dalag, flach wie ein Eierkuchen, und wir kramten in unsern Zeitungen, und dann spielten wir das Bücherspiel: jeder las dem andern abwechselnd einen Satz aus seinem Buch vor, und die Sätze fügten sich gar schön ineinander. Die Prinzessin blätterte die Seiten um, ich sah auf ihre Hände ... sie hatte so zuverlässige Hände. Einmal stand sie im Gang und sah zum Fenster hinaus, und dann ging sie fort, und ich sah sie nicht mehr. Ich tastete nach ihrem Täschchen, es war noch warm von ihrer Hand. Ich streichelte die Wärme. Und dann setzten sie uns wieder über ein Meerwasser, und dann rollten wir weiter, und dann – endlich! endlich! – waren wir in Kopenhagen.
    »Wenn wir nach hinten heraus wohnen«, sagte ich im Hotel, »dann riecht es nach Küche, und außerdem muß noch vom vorigen Mal ein besoffener Spanier da sein, der komponiert sich seins auf dem Piano, und das macht er zehn Stunden lang täglich. Wenn wir aber nach vorn heraus wohnen, dann klingelt da alle Viertelstunde die Rathausuhr und erinnert uns an die Vergänglichkeit der Zeit.«
    »Könnten wir nicht in der Mitte ... ich meine...« Wir wohnten also nach dem Rathausplatz zu, und die Uhr klingelte, und es war alles sehr schön.
    Lydia pickte auf ihrem Teller herum, mir sah sie bewundernd zu. »Du frißt...«, sagte sie freundlich. »Ich habe schon Leute gesehen, die viel gegessen haben – und auch Leute, die schnell gegessen haben ... aber so viel und so schnell...« – »Der reine Neid–«, murmelte ich und fiel in die Radieschen ein. Es war kein feines Abendessen, aber es war ein nahrhaftes Abendessen.
    Und als sie sich zum Schlafen wendete und grade die Rathausuhr geklingelt hatte, da sprach sie leise, wie zu sich selbst: »Jetzt auf See. Und dann so ein richtig schaukelndes Schiff. Und dann eine Tasse warmes Maschinenöl...« Und da mußte ich aufstehen und viel Selterswasser trinken.
4
    Ja, Kopenhagen.
    »Soll ich dir das Fischrestaurant zeigen, in dem Ludendorff immer zu Mittag gegessen hat, als er noch eine Denkmalsfigur war?« – »Zeig es mir ... nein, gehen wir lieber auf Lange Linie!« – Wir sahen uns alles an: den Tivolipark und das schöne Rathaus und das Thorwaldsen-Museum, in dem alles so aussieht, wie wenn es aus Gips wäre. »Lydia!« rief ich, »Lydia! Beinah hätt ich es vergessen! Wir müssen uns das Polysandrion ansehn!« – »Das ... was?« – »Das Polysandrion! Das mußt du sehn. Komm mit.« Es war ein langer Spaziergang, denn dieses kleine Museum lag weit draußen vor der Stadt.
    »Was ist das?« fragte die Prinzessin.
    »Du wirst ja sehn«, sagte ich. »Da haben sich zwei Balten ein Haus gebaut. Und der eine, Polysander von Kuckers zu Tiesenhausen, ein baltischer Baron, vermeint, malen zu können. Das kann er aber nicht.« – »Und deshalb gehn wir so weit?« – »Nein, deshalb nicht. Er kann also nicht malen, malt aber doch – und zwar malt er immerzu dasselbe, seine Jugendträume: Jünglinge ... und vor allem Schmetterlinge.« – »Ja, darf er denn das?« fragte die Prinzessin. »Frag ihn ... er wird dasein. Wenn er sich nicht zeigt, dann erklärt uns sein Freund die ganze Historie. Denn erklärt muß sie werden. Es ist wundervoll.« – »Ist es denn wenigstens unanständig?« – »Führte ich dich dann hin, mein schwarzes Glück?«
    Da stand die kleine Villa – sie war nicht schön und paßte auch gar nicht in den Norden; man hätte sie viel eher im Süden, in Oberitalien oder dortherum vermutet ... Wir traten ein.
    Die Prinzessin machte große Kulleraugen, und ich sah das Polysandrion zum zweitenmal.
    Hier war ein Traum Wahrheit geworden – Gott behüte uns davor! Der brave Polysander hatte etwa vierzig Quadratkilometer teurer Leinwand voll gemalt, und da standen und ruhten nun die Jünglinge, da schwebten und tanzten sie, und es war immer derselbe, immer derselbe. Blaßrosa, blau und gelb; vorn waren die Jünglinge, und hinten war die Perspektive.
    »Die Schmetterlinge!« rief Lydia und faßte meine Hand.
    »Ich flehe dich an«, sagte ich, »nicht so laut! Hinter uns kriecht die Aufwärterin herum, und die erzählt nachher alles dem Herrn Maler. Wir wollen ihm doch
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