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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
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keinen Augenblick gab es einen Sprung, es hielt an, eine starke Süße erfüllte uns ganz, nun waren wir bewußt geworden, ganz und gar bewußt. Vieles habe ich von dieser Stunde vergessen – aber eins weiß ich noch heute: wir liebten uns am meisten mit den Augen.
    »Mach das Licht aus!« sagte Lydia. Das Licht erlosch, erst die große Krone im Zimmer, dann das Lämpchen auf dem Nachttisch.
    Wir lagen ganz still. Am Fenster war ein schwacher Schein. Billies Herz klopfte, sie atmete stark, die Prinzessin neben mir rührte sich nicht. Aus den Haaren der Frauen stieg ein Duft auf und mischte sich mit etwas Schwachem, was die Blumen sein mochten oder das Parfüm. Sanft löste sich Billies Hand aus der meinen. »Geh«, sagte die Prinzessin, fast unhörbar.
    Da stand ich nebenan im Zimmer Billies und sah vor mich hin. Kikeriki – machte es ganz leise in mir, aber das war gleich vorbei, und ein starkes Gefühl der Zärtlichkeit wehte zu denen da hinüber. Ich legte mich nieder.
    Sprachen sie? Ich konnte es nicht hören. Ich stand wieder auf und kroch unter die Dusche. Eine süße Müdigkeit befiel mich – und ein fast zwanghafter Trieb, hinzugehn und ihnen Rosen auf die Decke... wo bekommt man denn jetzt nachts Rosen her... das ist ja – Jemand war an der Tür.
    »Du kannst gute Nacht sagen!« sagte die Prinzessin. Ich ging hinein.
    Billie sah mich lächelnd an; das Lächeln war sauber. Die Prinzessin lag neben ihr, so still. Zu jeder ging ich, und jede küßte ich leise auf den Mund. »Gute Nacht...« und »Gute Nacht...« Kräftig rauschten draußen die Bäume. Eine Sekunde stand ich noch am Bett.
    »Wie ist denn das alles so plötzlich gekommen?« sagte die Prinzessin leise.
Fünftes Kapitel
Das war ein Wurf! sagte Hans – da warf er seine Frau zum Dachfenster hinaus.
     
    Einer von den Tagen, wie sie sonst nur im Spätsommer vorkommen: bunt, gesättigt und windstill. Wir lagen am Seeufer.
    Ein paar Meter vor uns schaukelte ein Boot, unser Badeboot – das Wasser gluckste leise gegen das Holz, auf und ab, auf und ab... Wenn man die Hand ins Wasser hielt, gab das ein winziges Kältegefühl, dann zog man sie wieder heraus, und dann trockneten die Tropfen in der Luft. Ich rauchte einen Grashalm, die Prinzessin hielt die Augen geschlossen. »Heute ist vorgestern«, sagte sie. Das war so ihre Art der Zeitrechnung; da wir übermorgen fortfahren wollten, so war heute vorgestern.
    »Wo mag sie jetzt sein?« fragte ich. Die Prinzessin sah auf die Uhr: »Jetzt ist sie zwischen Malmö und Trälleborg«, sagte sie; »in einer Stunde steigt sie auf die Fähre.« Dann schwiegen wir wieder. Billie – dachte ich – Billie...
    Sie war abgefahren: leise, heiter, froh – und es war nichts gewesen, es war nichts gewesen. Ich war glücklich; es hatte keinen Schatten gegeben. Gott sei Dank nein. Ich sah zur Prinzessin hinüber. Sie mußte den Blick gespürt haben; sie öffnete die Augen.
    »Wo bleibt die Frau Collin? Watt seggst to det Ei? Hett de Katt leggt!«
    Die Frau Collin hatte nicht geschrieben – und wir wollten doch fort. Wir mußten fort; unser Urlaub war abgelaufen. Noch einmal telephonieren? Schließlich und endlich... »Diese dämliche Person«, schimpfte ich vor mich hin. »Man muß doch das Gör da herauskriegen! Himmelhergottdonner...« – »Daddy, du repräsentierst ein Volk!« sagte die Prinzessin würdevoll, als ob uns die schwedischen Bäume hören könnten. »Du sollst des Anstands gedenk sein!« Ich sagte ein zweisilbiges Wort. Woraufhin mich die Prinzessin mit etwas Mälarsee anspritzte. Und da wollte ich sie in den See werfen. Und da lag ich drin.
    Ich pustete sie mit Wasser voll wie ein Elefant, sie warf mir Hölzchen an den Kopf... dann legte sich das alles. Ich kroch heran, und wieder saßen wir friedlich zusammen.
    »Was machen wir aber wirklich?« fragte ich triefend. »Warten? Wir können nun nicht mehr warten! Du mußt am Dienstag zu Hause sein, und auf mich lauern sie auch. Mal muß der Mensch doch wieder arbeiten! Hier vertue ich meine kostbare Zeit mit dir...« Sie hob drohend den Arm. Ich rückte ein Stückchen weg. »Ich meinte nur. Aber wollen wir telephonieren? Ja?«
    »Nun wollen wir erst mal zu Ende baden«, sagte die Prinzessin. »Wenn wir nachher nach Gripsholm kommen, werde ich dir alles sagen. Holla – hopp!«
    Und wir schwammen.
    »Paß auf –«, pustete ich dazwischen, »sie wird es nicht tun, die Frau Collin. Wahrscheinlich hat sie sich das überlegt – ich hatte so den Eindruck,
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