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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
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daß sie den kleinen Gegenstand gar nicht bei sich haben will – vielleicht führt sie ein uhrenhaftes Leben...« Die Prinzessin kniff mich ins Bein. »Oder sie traut uns nicht und denkt, wir werden das Kind entführen. Aber der Frau Adriani hat sie getraut. Na, du wirst es sehen! Diese Weiber! Aber das sage ich dir, Alte: wenn sie heute nicht schreibt! Nie wieder in meinem Leben kümmere ich mich um fremde Kinder. Um fremde nicht! Um deine auch nicht! Um meine auch nicht! Himmelkreuzund...« – »Daddy«, sagte die Prinzessin. »Solang äs ich dir kenn, hältst du ümme weise Redens über das, wasse tun wirst, und mehrstenteils kommt nachher allens ganz anners. Aber dascha so bei die Männers. Bischa mallrig!« – »Ich werde...« – »Ja, du wirst. Wenn sie dir das Futurum wegnehmen, dann bleibt da aber nicht viel.« – »Person!« – »Selber!« Huburr der ganze See fing an zu schaukeln, weil wir eine wilde Seeschlacht veranstalteten. Dann schwammen wir ans Ufer.
    Auf dem Wege zum Schloß: »Mein Alter hat gar nicht geschrieben... sie werden ihn doch nicht in Abbazia an ein öffentliches Haus verkauft haben?« – »Na, ob da Bedarf für ist...« – »Daddy, wo ist eigentlich der Dackel?« – »Dein Kofferdackel?« – »Ja.« – »Der steht doch... der steht unter meinem Bett. Nachts bellt er.« Wir gingen ins Haus.
    Die Prinzessin pfiff wie ein Lockvogel. Was gab's?
    Der Brief war da – ein dicker Brief. Sie riß ihn auf, und ich nahm ihn ihr fort, dann flatterten die Bogen auf den Boden, wir sammelten sie auf und brachen in ein fröhliches Geschrei aus. Da war alles, alles, was wir brauchten.
    »Das ist fein. Na – aber nun! Wie nun?«
    »Das beste is«, sagte die Prinzessin, »wir gehn gliks mal eins hin un holen uns dem Kinde her von diese alte Giftnudel. Auf was wolln wi nu noch warten?«
    »Jetzt essen wir erst mal Mittag, und dann gleich nach Tisch... Krach ist gut für die Verdauung.«
    Wir saßen grade bei den Preiselbeeren, diesem mild brennenden Kompott, da hörten wir draußen vor der Tür ein Getöse, das Ungewöhnliches anzeigte. Wir ließen die Löffel sinken und horchten. Nun –?
    Die Schloßfrau kam herein; sie sah aus wie ein Extrablatt.
    »Da ist ein Kind draußen«, sagte sie und sah uns ganz leicht mißtrauisch an, »ein kleines Mädchen – sie weiß nicht, was Sie heißen, aber sie sagt, sie will zu den Mann und der Frau, die ihr eine Puppe gegeben hat, und sie weinten die ganze Zeit und sie bin so rot im Gesicht... Kennen Sie das Kind?« Wir standen gleich auf. »O ja – das Kind kennen wir schon.« Hinaus.
    Da stand der kleine Gegenstand.
    Sie sah recht zerrupft aus, verweint, die Haare hingen ihr ins Gesicht, vielleicht war sie schnell gelaufen. Das Kind war nicht recht bei sich. Als es Lydia sah, lief es rasch auf sie zu und versteckte sein Gesicht an ihrem Kleid. »Was hast du denn? Was ist denn?« Die Prinzessin beugte sich nieder und verwandelte sich aus dem Sportmädchen von heute morgen in eine Mama; nein, sie war beides. Die Schloßfrau stand dabei, ein Schwamm der Neugierde – sie saugte es alles auf. Also?
    Das rote Weib hatte das Kind geprügelt und geknufft und so laut geschrien; das Kind war fortgelaufen. Es war wohl nicht mehr auszuhalten gewesen. Und nun zitterte das Kind und zitterte und sah nach der Tür. Kam sie –? Frau Adriani würde sie holen. Frau Adriani würde sie holen. Es war nur bruchstückweise aus ihr herauszubekommen, was es gegeben hatte. Schließlich wußten wir alles.
    Wir standen herum. »Ich gebe sie nicht mehr heraus«, sagte ich. »Nein... natürlich nicht«, sagte die Prinzessin. Die Schloßfrau: »Senden Sie nicht das Kind zurück?« Der kleine Gegenstand begann laut zu weinen: »Ich will nicht zurück. Ich will zu meiner Mutti!« – »Noch einen schwarzen Kaffee«, sagte ich zur Prinzessin, »und dann geht's los.« Wir nahmen das Kind mit hinein und bauten vor ihm Cakes auf. Es nahm keine Cakes. Wir tranken still; wenn es wild zugeht, soll man immer erst einmal bis hundert zählen oder einen Kaffee trinken.
    »So, Lydia – jetzt wisch mal dem Kind das Geheul ab und beruhige es ein bißchen, und ich werde mit dem süßen Schatz telephonieren! Würden Sie mich bitte mit dem Kinderheim verbinden?« Die Schloßfrau stellte viele Fragen, ich beantwortete sie sehr kursorisch, sie sagte etwas Schwedisches in das Telephon, und dann saß ich da und wartete.
    Jemand meldete sich, auf schwedisch. Ich sprach aufs Geratewohl deutsch. »Kann ich
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