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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm
Autoren: Kurt Tucholsky
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heute abend noch einmal ausführlich – diese Frau Adriani ist eine unmögliche Erzieherin. Das Kind macht einen so verängstigten Eindruck, es...« Und ich packte aus. Ich schmetterte es alles aus mir heraus, die ganze Wut und das ganze Mitleid und die Ranküne wegen der Niederlage heute nachmittag und meinen Abscheu vor solchen Herrschweibern... alles packte ich aus. Und die Prinzessin wackelte wild hetzend mit der Faust. Frau Collin blieb einen Augenblick still. »Hallo?« – »Ja, was machen wir denn da...?« Die Prinzessin stieß mich und zischelte etwas. Ich wehrte mit dem Kopf ab: Laß!
    »Ich schlage Ihnen vor, daß Sie uns einen Brief schreiben, mit dem wir das Kind abholen können. Schicken Sie uns bitte einen Scheck über das, was Sie dort mutmaßlich schuldig sind... wenn's mehr ist, will ich das gern auslegen. Und schreiben Sie es nicht der Frau: sonst wird sie das Kind nicht gleich entlassen, sondern sie wird es noch quälen – schreiben Sie also uns. Ihre Schrift kennt die Frau Adriani ja. Also, einverstanden?«
    Pause der Unentschlossenheit. Ich gab eine Berliner Referenz. »Ja, wenn Sie meinen... Ach... aber wo soll ich denn dann mit dem Kind hin?« – »Ich habe in der Schweiz zu tun – ich bringe Ada zu Ihnen, und wir werden schon anderswo etwas für sie finden; aber da muß sie heraus. Wirklich – das geht nicht. Einverstanden?«
    Die Stimme klagte, klang aber ein wenig fester. »Es ist so nett, wie Sie mir helfen. Sie kennen mich doch gar nicht!« – »Ich habe das da gesehen, wissen Sie... das geht nicht. Also gemacht?« – »Jawohl. Wir wollen das so machen.« Und noch einiges verbindliche Hin und Her. Knack. Abgehängt. Aus. Die beiden tanzten einen wilden Tanz, einmal ums ganze Zimmer. Ich behielt den Hörer noch einen Augenblick in der Hand. »Gott sei Dank...«, sagte ich. – »Ob sie es nun auch tut?« fragte die Prinzessin, noch ein wenig atemlos. »Was hat sie gesagt?« fragte Billie. Nun war sie schon etwas mehr bei der Sache – gar nicht mehr so höflich-teilnehmend wie heute nachmittag. Feldzugskamerad Billie... Ich berichtete. Und dann tanzten wir alle drei.
    »Dascha wunnerbor!« sagte Lydia. »Wann kann ihr Brief hier sein? Heute ist Dienstag. Mittwoch... Donnerstag... In drei Tagen, wie?« Wir schrien alle durcheinander und waren so vergnügt. In mir war so etwas wie: Wohltun schmeckt süß, Rache trägt Zinsen, und liebe deinen Nächsten wie der Hammer den Amboß. »Darf ich die jungen Damen auf die Weide treiben?« Wir gingen zum Essen.
    »Billie!« sagte ich, »wenn das der alte Geheimrat Goethe sähe! Wasser in den Wein! Wo haben Sie denn diese abscheuliche Angewohnheit her! sagte er zu Grillparzer, als der das tat. Oder hat er es zu einem andern gesagt? Aber gesagt hat er es.« – »Ich vertrage nichts«, sagte Billie, und ihre Stimme klang, wie wenn ein silberner Ring in einen Becher fällt... »Verträgt Margot vielleicht mehr?« fragte die Prinzessin. »Margot...«, sagte Billie und lachte. »Ich habe sie mal gefragt, was sie wohl täte, wenn sie beschwipst wäre. Sie war es nämlich noch nie. Sie hat gesagt: Wenn ich betrunken bin, das stelle ich mir so vor – ich liege unter dem Tisch, habe den Hut schief auf und sage immerzu Miau!« Das wurde mit einem sanften Rotwein begossen; Billie schluckte tapfer, die Prinzessin sah mich an, schmeckte und sprach: »Ich mache mir ja nichts aus Rotwein. Aber wenn das der selige Herr Bordeaux wüßte...«, und dann sprachen wir wieder von Zürich und von dem kleinen Gegenstand, und Billie wurde munter, wohl weil sie uns Rotwein trinken sah. Die Prinzessin blickte sie wohlgefällig von der Seite an.
    Ich gähnte verstohlen. »Na, schickst all een to Bett?« fragte die Prinzessin.
    »Ich schreibe noch den Brief an die Frau. Löst ihr nur euer Rätsel!« Sie lösten. Ich schrieb.
    Was die Schreibmaschine heute nur hatte! Manchmal hat sie ihre Nücken und Tücken, das Luder; dann verheddern sich die Hebel, nichts klappt, das Farbband bleibt hocken, gleich schlage ich mit der Faust... »Hö-he-he!« rief die Prinzessin herüber. Sie kannte das, und ich schrieb beschämt und ruhiger weiter. So, das war fertig. Vielleicht ist der Brief zu schwer... Haben wir hier keine Briefschaukel? »Ich bringe ihn noch auf die Post!«
    Es regnete. Schön ist das, durch so einen frischen Regen zu gehn... Wie heißt der alte Spruch? Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur gute Kleider. Nun, es gibt schon schlechtes Wetter; es gibt
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