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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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Er sagte sich, dass Martha in Köln in Sicherheit sei und Kehl, was immer er bei ihr versucht hatte, nun von alleine aufhören würde.
    Erst als die Nachricht vom Tod der Witwe Kläre die Parteistube erreichte, als man Hermann, der gleich in die Hohl herunterlaufen wollte, abzuhalten versuchte, seine tote Mutter zu sehen, als schließlich Emmy endlich bei ihm war und ihn wortlos in die Armeschloss, erst in diesem Moment fühlte Hermann, dass er sich nun nicht länger vertrösten konnte.
    Kläre Vahlen hatte noch am Sonntag einen von Kehls Jungen dabei erwischt, wie er den alten Schmiedepeter durch das Gebück jagte. Die Witwe war alt geworden, ihre Hüfte war steif, kaum hörte sie noch, was man ihr sagte. Aber den Jungen griff sie an der Uniform und zog ihn kräftig am Ohr. »Bringt Kehl denn nur seinen Hunden Benehmen bei?«, schalt sie ihn, so dass es mehrere der Frauen hinter ihren Fenstern hören mussten.
    Bald darauf hatte Kläre dann auch noch Kehl selbst beleidigt. Niemand konnte sagen, was auf dem Marktplatz gesprochen worden war. Aber sämtliche Zeugen bestätigten, dass die Witwe dem Amtshelfer vor aller Augen ins Gesicht gespuckt hatte.
    Der Witwe wird es nicht gefallen haben, was Kehl im Dorf über ihren Enkel redete, hieß es hinterher. Denn in ganz Sehlscheid erzählte man sich inzwischen, dass Kläre Vahlens geliebter Hagis nicht nur Kehls Ilse mit den Kindern im Stich gelassen hatte, sondern dass er auch noch in Wahrheit ein Jude war.
    Die Witwe musste noch gelebt haben, als die Jungen gegangen waren. So sagte es zumindest der Arzt. Auch der Kreispolizist vermutete, ihr Opfer habe es noch aus eigener Kraft bis unter die Haselsträucher am Fuß der Hüh geschafft. Nach dieser Feststellung hatten die beiden Männer, links und rechts von der Toten, ihre Aktentaschen verschlossen und die Untersuchung beendet.
    Hermann hatte noch immer gemeint, es müsse sich um ein Missverständnis handeln, um einen schlimmen Fehler, der sich bald aufklären würde. Aber jetzt war offensichtlich, dass die ehrenvollen Herren bereits alles gesagt hatten, was sie sagen wollten. Sie hatten ihre letzte Pflicht erledigt, bevor sie es endgültig aufgaben, für das, was in Sehlscheid passierte, Rede und Antwort zu stehen. Keiner von ihnen würde es übernehmen, einen Brief zu schreiben, um zumindest Kehls Treiben ein Ende zu setzen. Sie hatten sie längst abgegeben, die Verantwortung, – vor langer Zeit, wie alle anderen auch – abgegeben an ihn, an Hermann Vahlen.
Duisburg IV: Das Gesetz der Serie (Juni 2007)
    Â»Herein«, rief Kittel ärgerlich, als es an der Tür klopfte. Er drückte die rote Taste seines Handys. Ohnehin hatte er wieder nur Wielands Mailbox dran, die keine Nachrichten annahm.
    Am liebsten wäre er gar nicht ins Institut gekommen. Jemand war in den Aufenthaltsraum der Hilfskräfte eingedrungen und hatte dort alles durcheinandergebracht und verwüstet. Die Doktoranden bemühten sich seit Tagen, die Ordnung in ihren Papieren wiederherzustellen. Und das war ausgerechnet in derselben Nacht passiert, in der Kittel Wielands Karton dort weggeholt hatte. Es gab Zeugen, die Andreas Wieland mehrfach nachts im Institut gesehen haben wollten. Er habe sich eigenartig benommen.
    Â»Herr Professor?«
    Kittel zuckte zusammen. Er hatte ganz vergessen, dass jemand eingetreten war. Ein Mädchen, blass, hellblond, auffallend hübsch, stand an der Tür und blickte ihn mit kühlen Augen an. Sie trug einen kurzen Rock und eine Umhängetasche, deren Riemen quer über ihre Brust gespannt war. Sie war höchstens sechzehn und konnte unmöglich eine Studentin sein.
    Â»Womit kann ich Ihnen helfen?«
    Â»Ich bin Alexia Gellmann-Vahlen.«
    Das hatte gerade noch gefehlt. Natürlich. Sie sah aus wie Judith.
    Â»Mit Ihrer Mutter hatte ich schon vor ein paar Tagen die Ehre.«
    Â»Meine Mutter weiß nicht, dass ich hier bin.«
    Kittel wurde mulmig. Was wollte das Mädchen? Die Situation war riskant. Es wäre höchst unangenehm, mit diesem knapp bekleideten und offensichtlich minderjährigen Mädchen überrascht zu werden. Kittel überlegte, unter einem Vorwand das Zimmer zu verlassen und Caroline Schweizer hereinzubitten. Aber sie war die einzige, die wusste, dass er im Aufenthaltsraum nach Wielands Material gesucht hatte. Mit ihrer zwanghaften Ehrlichkeit könnte sie ihm ernsthaft schaden, sollte
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