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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh
Autoren: Charlotte MacLeod
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er sich als Gesellschaft hielt. Es hing auch ein schönes
Aquarellporträt des Balaclava-Protzes da, das Werk einer Botanikprofessorin,
die gehofft hatte, das Herz ihres Kollegen über seine Rübe zu erreichen. Die
Fremdbestäubung hatte nicht geklappt. Die Dame heiratete jemand anderen, und
Shandy führte sein bequemes Junggesellendasein weiter, in dem Mrs. Lomax für
die Ordnung sorgte und die Fakultätsmensa für seine Mahlzeiten.
    Wenn er überhaupt an die Zukunft
dachte, stellte er sich vor, er werde mehr oder weniger so weitermachen wie
bisher. Nun fragte er sich zum ersten Mal, ob das möglich sein würde.
    Er hatte es immer geschafft, nicht
persönlich in eine der Fehden verwickelt zu werden, die während seiner
Dienstzeit auf dem Crescent getobt hatten, aber er wußte nur zu gut, wie hoch
die Wogen der Leidenschaft über Untaten schlagen können, die bei weitem nicht
so anstößig wie die waren, die er begangen hatte. Er hatte Jemima natürlich
nicht töten wollen, aber er hatte absichtlich und mit böswilligem Vorbedacht
die ehrwürdigste Tradition und die wichtigste außerkurrikulare Geldquelle des
Crescent übel verspottet. Wenn Tim genug Grips besaß, um seine Tat genau als
das zu sehen, was sie war, dann auch die restliche Fakultät und — noch mehr zu
seinem Verderben — jene rasenden Stymphaliden, die Professorengattinnen. Und es
war einfach unvorstellbar, daß Präsident Svenson seine Motive mißdeuten würde.
    Shandy machte sich eigentlich keine
Sorgen, seinen Job zu verlieren. Zunächst einmal war er Professor auf
Lebenszeit, und es würde so etwas wie einen Kongreßbeschluß brauchen, um ihn zu
relegieren. Außerdem würde Präsident Svenson nicht wild darauf sein, sozusagen
die Gans, die goldene Eier legte, zu schlachten. Es bestand immer die Chance,
daß Shandy noch einen Balaclava-Protz ausbrütete.
    Auf jeden Fall hatten sein eigener
Anteil an den Lizenzgebühren aus diesem und anderen geglückten Experimenten im
Verein mit seinem Gehalt als ordentlicher Professor und seinem relativ
bescheidenen Lebensstil Peter Shandy zu einem recht wohlhabenden Mann gemacht.
Er konnte morgen in Pension gehen, wenn es dazu kommen sollte.
    Er wollte nicht, daß es so käme. Mit
sechsundfünfzig war er einfach viel zu jung, um abzutreten. Er würde seine
Arbeit, seine Kollegen, seine Studenten vermissen. Er würde die Geselligkeit
des Campuslebens vermissen, so ermüdend er sie auch manchmal fand, und er würde
sein Haus vermissen.
    Und doch wußte er sehr gut, daß es ihm
unmöglich sein würde, hierzubleiben, wenn ihn die geballte Kraft des Mißfallens
seiner Kollegen träfe. Sein Leben würde auf unzählige kleine Arten
unerträglich. Sein Rasen würde eingehen, seine Fichten würden Keimwurm
bekommen, der Strom würde ausfallen, und die Leitungen würden einfrieren — und
niemand wüßte, warum. Die Sekretärinnen würden vergessen, ihn von
Fakultätssitzungen zu benachrichtigen, zerstreute Gastgeberinnen würden
vergessen, ihn auf die Einladungsliste zu setzen, seine Studenten würden
überlaufen. In der Fakultätsmensa würde ihm sein Essen kalt serviert, und kein
Kollege könnte es wagen, sich zu ihm an den Tisch zu setzen. Mit Ablauf des
nächsten Semesters würde er entweder aus freien Stücken gehen oder sich in
einen griesgrämigen Einsiedler verwandelt haben.
    Na, wenigstens hatte er den alten Tim
kräftig zum Lachen gebracht. Wieviel Spaß würde sein Freund an dem Streich
haben, wenn er erfuhr, daß er ihn seine Gemahlin gekostet hatte?
    Shandy wuselte in seiner eigenen,
peinlich sauberen Küche herum, setzte Wasser auf und richtete an, was er an
Eßbarem finden konnte. Dann nötigte er Ames in das, was Mrs. Lomax hartnäckig
die Frühstücksecke nannte.
    »Setz dich, Tim, setz dich. Ich hol’
die Marmelade. Ach, und wie wäre es mit ein bißchen Obstkuchen? Elizabeth
schickt mir immer einen Obstkuchen.«
    »Ich weiß, daß Elizabeth dir immer
einen Obstkuchen schickt. Was zum Teufel ist los mit dir, Pete? Du rennst herum
wie eine kopflose Henne.«
    Shandy setzte sich ihm gegenüber und
stützte beide Ellbogen auf den Tisch, um Halt zu gewinnen.
    »Die Sache ist die, Tim: Ich habe
schlechte Neuigkeiten für dich.«
    Sein Gast setzte die Tasse ab, die er
zum Munde erhoben hatte.
    »Pete, es ist doch nicht — nicht die
Portulaca Purple Passion? Oh mein Gott, sag bloß nicht, die Keimlinge haben die
Umfallkrankheit?«
    »Nein, nein! Es ist nicht —« Shandy
wollte sagen: »Es ist nicht so
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