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Schlaf in himmlischer Ruh

Schlaf in himmlischer Ruh

Titel: Schlaf in himmlischer Ruh
Autoren: Charlotte MacLeod
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Aufmerksamkeit erregen können.
    Heute allerdings mußte Professor Ames
auf dem qui vive gewesen sein. Shandy hatte kaum drei Minuten oder so an
die Tür gehämmert, als sein alter Genosse erschien.
    »Pete! Schön, dich zu sehen.«
    Das war nicht bloß eine Platitüde. Ames
grinste wie ein Kasperle, schlug ihm auf den Rücken und fiel in einen
Kicherkrampf, der den sich krümmenden Mann auf die Fußmatte zu legen drohte.
Shandy brachte sie beide schnell nach drinnen und schloß die Tür. Eine
öffentliche Darbietung von Heiterkeit war kaum das richtige für einen
frischgebackenen Witwer. Mittlerweile war es sieben Uhr vorbei. Mindestens ein Nachbar
mußte schon auf sein und von einem Fenster aus Zusehen. Kaum ein Ereignis auf
dem Crescent blieb unbeobachtet oder unkommentiert, nicht einmal in der
Lichterwoche. Genau deswegen war es so schwer zu glauben, daß niemand von ihnen
wußte, daß Jemima seit drei Tagen in dem Backsteinhaus gewesen war.
    An sein peinliches Anliegen erinnert,
versuchte Shandy, etwas zu sagen. Tim war nicht in Stimmung für betrübliche
Neuigkeiten.
    »Das«, keuchte er, »war das beste — mein
Gott, Pete, seit siebenundzwanzig Jahren bete ich, daß jemand genug Courage
hätte —« Er fand noch ein paar unbenutzte Quietscher, schied sie aus und
wischte sich die Augen. »Wie zum Teufel hast du den Mut gehabt?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Shandy
absolut ehrlich. »Ich habe es einfach getan.«
    »Du bist ein großer Mann, Pete. Einen
Drink?«
    »Ein bißchen früh, oder?«
    Professor Ames dachte über die Frage
nach. »Vielleicht hast du recht. Wie wäre es dann mit Kaffee? Ich glaube nicht,
daß ich schon gefrühstückt habe. Wenn ich überlege, bin ich nicht einmal
sicher, daß ich zu Abend gegessen habe. Willst du ein paar Eier oder so etwas?«
    »Nein, ich habe gerade gegessen. Ich
koche aber für dich.«
    Shandy war kein brillanter Akteur in
der Küche, aber nicht so inkompetent wie sein Freund, wie der Zustand des nie
besonders ordentlichen Raumes bezeugte.
    »Ich lebe als Strohwitwer«, erklärte Ames,
während er herumkramte und vergeblich nach einer sauberen Bratpfanne suchte.
»Jemima ist irgendwo unterwegs. Um diese Jahreszeit ist sie immer unterwegs,
aber in letzter Zeit ist sie nicht mal zum Schlafen nach Hause gekommen, soweit
ich weiß. Ich habe Grimble gefragt, ob er sie irgendwo gesehen hat, und er
wurde ganz aufgeregt. Hat mich gefragt, wann sie das letzte Mal hier war. Woher
zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Wann hast du sie vermißt?«
    »Gestern nachmittag um genau fünfzehn
Uhr. Ich erinnere mich daran, weil Jemmy aus Kalifornien anrief, um uns
Fröhliche Weihnachten zu wünschen. Da fiel mir auf, daß wir noch nichts wegen
des Weihnachtsessens arrangiert hatten und daß die Geschenke noch auf dem Tisch
lagen. Wir hatten nicht vor, eine große Sache aus dem Fest zu machen, jetzt, wo
die Kinder aus dem Haus sind und sie so in diese gottverdammte Lichterwoche
eingespannt ist, aber ich dachte, sie schneit wenigstens lang genug herein, um
ihre Päckchen aufzumachen. Ich wünschte wirklich, sie würde auftauchen. Wir
haben gar nichts mehr da. Jetzt kann ich keinen Kaffee mehr finden.«
    »Sieh mal, Tim, warum kommst du nicht
mit rüber zu mir?« sagte sein Freund verzweifelt. »Ich habe Kaffee. Wir können
dort, eh, über Jemima sprechen.«
    Er wandte unwillkürlich den Kopf ab,
als er den Satz beendete, so daß Ames keine Chance hatte, ihm mehr als die
Einladung von den Lippen abzulesen, die er bereitwillig anzunehmen schien. Er
zog das fadenscheinige Tweedjackett an, die einzige Freiluftkluft, die er — ob
Winter oder Sommer — je trug, und trottete neben Shandy über den Crescent.
    Bedauerlicherweise brachte ihn der
Anblick jener acht Plastikrentiere wieder zum Lachen. Shandy hoffte nur, daß jemand,
der ihnen zuschaute, nachdem sich die Nachricht von Mrs. Ames Tod verbreitet
hatte, zu dem Schluß kommen möge, ihr Gatte sei vor Kummer hysterisch geworden.
    Nach der Düsterkeit und Unordnung in
Tims Haus wirkte das Backsteinhaus wie eine heitere Zuflucht, trotz des
Packpapierbündels, das erst vor so kurzer Zeit herausgetragen worden war.
Professor Shandy hatte bisher nie viel über sein Haus nachgedacht. Die
altmodischen Möbel des früheren Bewohners hatten ihm ganz gut gefallen, und er
hatte wenig geändert, bis darauf, daß er das Gerümpel ausmistete und dafür sein
eigenes hereinbrachte, vor allem Bücher und Topfpflanzen, an denen er forschen
mußte und die
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