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Schimmernder Rubin

Schimmernder Rubin

Titel: Schimmernder Rubin
Autoren: Ann Maxwell
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könnte.
    Nichts.
    Sie überlegte stumm, ob ihr Vater vielleicht wieder einmal auf dem Weg zu ihr war, um ihr Leben mit seinem Charme und seinem wachen Blick erneut aus den Fugen zu bringen. Manchmal hätte Laurel gern gewusst, was Swann während seiner langen Abwesenheiten anstellte. Die meiste Zeit jedoch war sie froh, darüber im unklaren zu sein.
    »Danke«, sagte sie zu Tom. »Ich bin sicher, dass in dem Paket ein Zettel oder so etwas mit dem Absender liegt.«
    »Wenn nicht, rufen Sie mich an.«
    »Hm, hm«, war alles, was Laurel darauf erwiderte.
    Mit einem konventionellen Lächeln verabschiedete sie sich und warf per Schulter die Tür ins Schloss. Dann sah sie erneut auf das Paket.
    Nichts war hinzugekommen zu dem Standardbegleitschein, auf dem kein Absender stand.
    Plötzlich rief das Gewicht des Pakets eine Erinnerung wach: die Urne, in der die Asche ihrer Mutter lag. Bei dem Gedanken bekam Laurel eine Gänsehaut.
    Eilig ging sie in das ehemalige Wohnzimmer des Häuschens, das jetzt ihr Atelier beherbergte. Sie hatte an einer großen, eleganten Brosche aus gebogenem Golddraht für die Frau eines Kunden gearbeitet, in Wahrheit sicher ein Schmuckstück für seine Geliebte. Dies war ein weiterer Grund für sie, sich nicht mit Männern einzulassen. Man konnte ihnen nicht einmal dann vertrauen, wenn das Büro in der Nähe ihres Zuhauses lag.
    Laurel räumte die Biegezange beiseite, um Platz für das unerwartete Paket zu machen. Sie trennte das Klebeband mit einem scharfgeschliffenen Messer auf, mit dem sie normalerweise Papierschablonen schnitt. Als sie mehrere Lagen verstärkter Pappe und Watte entfernt hatte, tauchte darunter langsam ein Holzkasten auf.
    Dies war kein normaler Transportbehälter.
    »Was in aller Welt soll das denn sein?«
    Der Kasten war ein wahres Kunstwerk. Er bestand aus dick lackiertem, unverkratztem hellen Holz mit einer feineren Maserung, als Laurel je zu Gesicht bekommen hatte.
    »Birke?« murmelte sie. »Himmel, das Material sieht aus wie Elfenbein. Es erinnert mich an etwas, was mir schon mal begegnet ist. Vielleicht in einem Museum?«
    Doch es fiel ihr nicht ein.
    Sie untersuchte den Kasten genauer. Seine Ecken waren gegehrt und verstärkt. Obgleich an der längeren Seite eine Fuge zu sehen war, verriet die Position des Riegels, dass der Kasten normalerweise aufrecht stand.
    Sie stellte ihn hin und öffnete den kleinen Messingverschluss. Die Vorderhälfte des Kastens teilte sich, und die beiden Seiten schwangen auf wie die Türen eines antiken Schreins.
    »Mein... Gott.«
    Laurel blinzelte, schüttelte den Kopf und blinzelte erneut.
    Ein juwelenbesetztes Ei blinkte zurück.
    Trotz ihrer Verblüffung lachte sie unwillkürlich auf ob der reinen Schönheit des Objekts. Es lag in einem Nest aus blassem, cremefarbenen Satin, wodurch das leuchtende Scharlachrot der Schale besonders vorteilhaft zur Geltung kam. Das Muster des Netzes aus juwelenbesetztem Gold, in das das Ei sozusagen eingehüllt war, wurde durch dessen Form noch ganz subtil verstärkt.
    Der Kunstgegenstand hatte fast die Größe eines Straußeneis, aber zugleich wirkte er so zart, dass Laurel kaum an seine tatsächliche Existenz glauben konnte. Voll Bewunderung strich sie mit der Fingerspitze über das Ei, wie zuvor bei dem Strandachat. Und wie dieser war auch das Ei kühle, feste Realität.
    Eine Zeitlang starrte Laurel fasziniert auf dieses unerwartete Geschenk, dann jedoch gewann ihre Vernunft die Oberhand und sie knöpfte sich den Kasten vor. Es gab keinerlei Anzeichen für eine Fälschung, doch genausowenig entdeckte sie das Zeichen eines Herstellers.
    Sie beugte sich über den Kasten und atmete tief ein. Da war auch nicht ein Hauch von Holz- oder Leimgeruch, der Laurel verraten hätte, dass das Behältnis erst vor kurzem in irgendeinem namenlosen Ausbeuterbetrieb der dritten Welt fabriziert worden war. In der Tat, je gründlicher sie sich den Kasten ansah, um so klarer wurde ihr, dass er das Ergebnis einer langen kunsthandwerklichen Tradition sein musste, die ebenso vollkommen war wie diejenige bei der Herstellung des Eis.
    Und genau wie das Ei erfüllte der Kasten seinen Zweck auf geradezu wundersame Weise.
    Laurel vermutete, dass ihr überraschtes Vergnügen beim ersten Anblick des nahezu überirdisch schönen Eis vom Künstler beabsichtigt gewesen sein musste. Als Designerin wusste sie, dass ein guter dekorativer Kunstgegenstand aus mehr bestand als einer Handvoll teurer Materialien und blitzender Edelsteine. Ein
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