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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition)
Autoren: Matthias Sachau
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endgültig das Handtuch geworfen. Deswegen Scheißwelt und so weiter.
    Inzwischen haben wir die dritte Flasche aufgemacht.
    »So ist das. Solange du funktionierst, sind sie nett, und erst wenn du ein Problem hast, siehst du, was für Sackgesichter das sind.«
    »Tja, so siehts aus.«
    »Dabei hab ich das Konzept mit der blauen Schnufti-Windel erfunden. Damit sind wir in diesem Jahr in drei Wettbewerben nominiert, verstehst du? Übrigens, dein Daniel meldet sich gerade, glaub ich.«
    Was?
    Ach ja, ein Kind hatte ich auch dabei. Warum wacht der jetzt schon auf? Ich nehme noch schnell einen großen Schluck.
    »Na, Daniel, gut geschlafen?«
    Er heult los. Mist, hab ich eine Fahne? Oder merkt er sonst irgendwie, dass ich Schlagseite habe? Kinder sollen ja einen siebten Sinn für Gemütszustände ihrer Eltern haben. Ist mir irgendwie ganz schön peinlich.
    »Was ist, Daniel? Komm, ich nehm dich mal auf den Schoß.«
    Er schreit immer weiter. Wahrscheinlich hab ich zu sehr gelallt. Das irritiert ihn.
    »Also, wenn du mich fragst, muss der aufs Klo.«
    Respekt, Becker. Sehr scharf kombiniert, obwohl du noch mehr getrunken hast als ich. Nur leider zu spät. Daniel hat sein Geschäft schon gemacht. Unterhose, Hose, Sandalen, alles schwimmt, und er brüllt wie am Spieß.
    Jetzt erst mal die Papatasche her. Ach so, hab ich ja heute nicht dabei. Ich beginne ungelenk, die prall gefüllten Taschen meiner schlimmen Shorts zu durchwühlen. Plastiklöffel und Pixibücher fallen auf den Boden. Ich finde ein Kondom, meine alten Hausschlüssel und zwei Dichtungsringe, aber keine Wechselklamotten. Irgendwie habe ich vergessen, die umzupacken. In meinem Kopf pfeift es. Alkohol in der Hitze geht wunderbar, solange du dich nicht bewegst. Aber wehe, du fängst dann damit an.
    Mir ist schwindelig. Und irgendwie ist mir alles egal, obwohl ich weiß, dass mir eigentlich auf keinen Fall alles egal sein sollte. Daniel brüllt immer lauter. Kein Wunder. Was mach ich bloß? Am besten ihm einfach die vollgepissten Klamotten anlassen und schnell nach Hause, oder? Shit, mein Urteilsvermögen ist gerade im Urlaub.
    »Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?«
    Die alte Dame mit der Gehhilfe, die mir gerade auf die Schulter getippt hat, scheint es ernst zu meinen.
    »Ach, ist nicht nötig. Ich geh mal schnell nach Hause mit ihm.«
    Ob sie wohl auch meine Schlagseite bemerkt hat?
    »Mit den nassen Sachen? Kommt nicht in Frage.«
    Kein Zweifel. Sie hat es bemerkt. Wenigstens denkt sie pragmatisch.
    »Sie bleiben jetzt hier sitzen, und ich hole dem Jungen was zum Anziehen.«
    Widerspruch zwecklos. Wie peinlich. Wie erbärmlich. Wenigstens ist Becker dermaßen mit seiner Selbstmitleidsnummer beschäftigt, dass er darauf verzichtet, sich kaputtzulachen.
    Keine fünf Minuten später kommt die alte Dame mit einer Unterhose, einem Sockenpaar und, auweia, einer karierten Latzhose wieder.
    »Habe ich beim Kindersecondhandshop um die Ecke gekauft. Müssten passen. Wollen Sie es versuchen?«
    Oder sind Sie zu blau? Den Nachsatz hat sie netterweise verschluckt. Ich mobilisiere alle Kräfte und ziehe dem schreienden Daniel die Pipiklamotten aus. Als ich beginnen will, ihm den neuen Klamottensatz anzuziehen, fährt sie energisch dazwischen.
    »Ziehen Sie ihm die hier an.«
    Sie hält mir irgendwas Weißes vor die Nase.
    »Das ist zwar eine von meinen, aber das ist jetzt egal.«
    Ah, eine Seniorenwindel. Becker schielt einen Moment lang interessiert von der Seite, aber dann fällt ihm ein, dass er seit heute beruflich nichts mehr mit Windeln zu tun hat, und brütet weiter.
    Die Seniorenwindel ist viel zu groß, aber meine forsche Helferin ist nicht mehr zu bremsen und organisiert auch noch Paketkordel zum Festbinden. Ich folge den Befehlen, und Daniel beruhigt sich wieder etwas. Die Dame wartet, bis ich fertig bin.
    »Sind Sie sicher, dass ich Sie jetzt allein lassen kann?«
    Sie sieht mich lange kritisch an, während in ihrem Kopf ein Film mit allen besoffenen Volltrotteln, die ihr im Lauf ihres langen Lebens in den Hafenspelunken der Welt über den Weg gestolpert sind, herunterrattert. Am Ende ordnet sie mich anscheinend in die harmlose, halbwegs verantwortungsbewusste Kategorie ein, denn sie verabschiedet sich tatsächlich und kramt auch nicht an der nächsten Ecke ihr Seniorenhandy mit extragroßen Tasten heraus, um die Polizei zu rufen.
    Mir reicht es. Ich verabschiede mich von Becker und schiebe los. Wann habe ich mich zum letzten Mal so gedemütigt und schlecht
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