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Schicksalsmord (German Edition)

Schicksalsmord (German Edition)

Titel: Schicksalsmord (German Edition)
Autoren: Fiona Limar
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brenzlig wurde, lieferte sie mir selbst die entscheidende Ausrede. Mein Vater hatte mir den Wunsch nach einer teuren Designer-Wildlederjacke erfüllt, die ich vor den Augen der Eltern vorsorglich verborgen hielt, ich ließ sie in meiner Zuflucht. Und dann lief ich ihnen mitten in der Stadt plötzlich damit über den Weg. Ich hatte vergessen, dass mein Stiefvater einen Arzttermin hatte und Mutter ihn begleitete. Der Ton der Frage meines Stiefvaters nach der Herkunft des teuren Stückes verhieß nichts Gutes, mir fiel so rasch keine plausible Erklärung ein, als ich Mutter plötzlich honigsüß flöten hörte: „Na von Monique natürlich, ich habe früher auch immer mit meinen Freundinnen die Sachen getauscht.“ Damals war ich zwar erleichtert, hielt meine Mutter aber für ausgesprochen dämlich, da sie in Monique offenbar so etwas ähnliches wie den Weihnachtsmann sah. Jetzt erst begriff ich, wie raffiniert sie in Wirklichkeit gewesen war. Mein Kontakt zu meinem Vater entsprach ihren ureigensten Interessen. Enttäuscht von ihrem zweiten Ehemann suchte sie nach einer Brücke, die zu ihrer großen Liebe zurückführen könnte und verfiel logischerweise auf mich. Doch sie weihte mich nicht ein, ließ mich im Glauben, ständig etwas Verbotenes zu tun, mit allen damit verbundenen Ängsten und Unsicherheiten. Es war eine perfide Strategie, so wollte sie sicherstellen, dass ich ständig auf der Hut blieb und mich vor meinem Stiefvater nicht verriet. Wäre es jedoch herausgekommen, hätte sie sich unwissend stellen können und aller geballte Zorn hätte sich über mir entladen: Stiefvaters sehr realer und Mutters hervorragend gespielter.
    Ohne Rücksicht auf meine Gefühle hatte Mutter mich benutzt. Und ich, das im Grunde ohnmächtige Kind, hatte Allmachtsphantasien entwickelt: Ich hatte Geschmack gefunden am Versteck- und Ränkespiel, ich hatte den Erfolg meiner eigenen List zugeschrieben und mich schließlich für unverwundbar gehalten. Nicht mein Vater hatte mich verdorben, der offen zu seinem unkonventionellen, genussorientierten Lebensstil stand, sondern meine Mutter, die in mir die Lust am doppelten Spiel weckte und meine Illusionen nährte, darin perfekt zu sein. Das hatte mich leichtfertig gemacht. Wo ich glaubte, den Kurs meines Lebens zu bestimmen, hatten andere im Hintergrund die Fäden gezogen und ich hatte es nicht einmal bemerkt.
    Und noch etwas machte mich unglaublich zornig: Die Tatsache, dass meine Mutter mich offenbar aufgegeben hatte und nur noch an ihrer eigenen Ehrenrettung arbeitete. Eifrig strickte sie am Mythos der guten Mutter, die immer das Beste für ihr Kind gewollt hatte, das ihr dann aber durch den verderblichen Einfluss des Ex-Mannes entglitten war. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie selbstgefällig im Kreise ihrer neuen Freundinnen hockte und deren Trost wie Honigseim in sich aufsog: „Du kannst doch nichts dafür, du hast dir doch alle Mühe mit dem Kind gegeben.“ In diesem Moment begann ich sie zu hassen. Und ich hasste auch Ulrike, die ebenfalls schon lange eifrig an ihrer eigenen Überlebensstrategie feilte. Dafür sprachen ihre neu aufgewärmte Beziehung zu Thomas ebenso wie ihr Beharren, gegen meinen Wunsch an Dietrichs Beerdigung teilzunehmen. Ich stellte mir vor, wie sie mit demütiger Dankbarkeit die Absolution der versammelten Trauergemeinde entgegennahm: „Kommen Sie doch näher Kindchen, Sie können doch nichts dafür. Sie sind doch die Gute, die arme Schwester der bösen Mörderin.“ Letztendlich würden sie alle beieinander hocken: Mutter, Ulrike und Thomas, sich gegenseitig tröstend und mich verdammend. Vielleicht kämen ja auch noch Holger und Ulla vorbei, nun, da die gemeine Ehebrecherin unschädlich gemacht und ihrer gerechten Strafe zugeführt worden war. Peters Verwandtschaft würde das natürlich genauso sehen, nachdem sie von Ulrike über den wahren Unfallhergang im Bad aufgeklärt wurde. Und hoch über dieser großen, vor Selbstgerechtigkeit triefenden Familie schwebte Dietrichs Tochter Carola als diskreter Racheengel, dem weder die Anstiftung zum Mord an ihrem Vater noch die Bestechung der Zeugin je nachzuweisen sein würden. Bei dieser Vorstellung wurde mir so übel, dass ich mich mehrfach übergeben musste. Nie in meinem Leben hatte ich Mordgelüste verspürt, Peters Tod war mehr oder weniger ein Versehen gewesen. Doch jetzt hätte ich mit Wonne sogar einen Massenmord begangen und die ganze verlogene, spießige Bagage in die Luft gesprengt. Schmerzhaft
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