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Schicksalsmord (German Edition)

Schicksalsmord (German Edition)

Titel: Schicksalsmord (German Edition)
Autoren: Fiona Limar
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ich, dass ich mir in dem Punkt etwas vorgemacht hatte. Da habe ich meinen Irrtum plötzlich erkannt. Und noch etwas wurde mir klar: Nicht nur Lydia hat unter der Mordanschuldigung zu leiden, sondern auch andere Menschen. Zum Beispiel Sie. Wie eine Aussätzige haben Sie heute auf dem Friedhof abseits gestanden – die Schwester der Mörderin. Und dabei hatten Sie und Dietrich ein gutes Verhältnis zueinander. Noch schlimmer wird es vermutlich Ihre Mutter treffen. Ich habe Ihnen mit meinem spontanen Handeln Kummer bereitet, es tut mir leid. Und auch Lydia habe ich natürlich Unrecht getan. Sie hat vielen Menschen geschadet, und sie trägt sicher eine moralische Schuld an Dietrichs Tod, doch sie hat nun einmal niemanden umgebracht.“
    „Doch, das hat sie.“ Meine Worte kamen genauso spontan wie meine Tränen. Es war ein Akt der Befreiung, von Peter zu erzählen. Ines Helmchen unterbrach mich kein einziges Mal. Danach saßen wir eine Weile einfach stillschweigend beieinander. Schließlich stand Ines Helmchen wortlos auf und legte mir drei Briefe in den Schoß. „Sie werden die richtige Entscheidung treffen“, sagte sie. „Und wie immer sie ausfällt, ich werde sie akzeptieren.“
    Fassungslos starrte ich sie an. „Und wenn ich die Briefe vernichte?“, fragte ich.
    „Werde ich schweigen.“
    „Und wenn ich damit zur Polizei gehe und alles erzähle?“
    „Werde ich es bestätigen.“
    „Wie können Sie mir derart vertrauen? Sie kennen mich doch überhaupt nicht!“
    „Oh doch“, lachte Ines Helmchen. „Besser als Sie glauben. Thomas hat mir vieles über Sie erzählt.“
    „Thomas? Wieso kennen Sie Thomas?“
    „Wie sollte ich ihn nicht kennen? Er war, und er ist es noch, mit Holger und Ulla Hagedorn befreundet. Holger war einer der Referendare, die ich einstmals unter meine Fittiche genommen hatte. Nachdem die Sache zwischen Holger und Lydia passiert war, hat Thomas wie ein Löwe um Holgers und Ullas Ehe gekämpft. Lydia sei es nicht wert, dass sie sich ihretwegen trennen würden, hatte er gemeint und mich zur Bestärkung seiner Position herangezogen. In der Zeit hat er mich oft gemeinsam mit Ulla besucht, und wir drei haben stundenlang geredet. Zum Glück hat es geholfen – Holger und Ulla haben sich wieder zusammengerauft. Und Thomas hat bei der Gelegenheit auch viel über Sie gesprochen – schließlich sind Sie sein goldener Schlüssel.“
    „Sein goldener Schlüssel?“ Ich muss wohl recht ahnungslos ausgesehen haben, denn Ines Helmchen schüttelte missbilligend den Kopf.
    „Kennen Sie keine Märchen?“ Nein, kannte ich tatsächlich nicht, meine Eltern hatten uns nie welche vorgelesen, mein Märchenwissen war daher begrenzt. Ich mochte jedoch nicht näher nachfragen, es war fast Mitternacht und ich wollte unbedingt nach Hause. Ines Helmchens Angebot, bei ihr zu übernachten, hatte ich ausgeschlagen. Nun würde ich also doch den BMW nehmen. Eine Nachtfahrt bot den Vorteil leerer Straßen. Ich ließ mich zwei Querstraßen von der Kanzlei entfernt absetzen. Fräulein Helmchen und ich waren uns wortlos darüber einig, dass man uns nicht unbedingt zusammen sehen sollte. Zum Abschied drückten wir einander stumm die Hand.
    Ich stand auf einer Brücke und warf die Schnipsel der drei Briefe in das dunkel unter mir dahinfließende Wasser. Wie müde Falter trudelten sie gemächlich abwärts. Die langsame, feierliche Handbewegung, mit der ich sie in den Fluss streute, war die gleiche, mit der ich damals Blütenblätter in Peters offenes Grab gestreut hatte.
    Energisch schüttelte ich den Kopf und verscheuchte die Vision. Ich stand auf keiner Brücke, sondern saß in Lydias BMW, die drei kostbaren Briefe lagen neben mir auf dem Beifahrersitz.
    Ich würde weder versuchen, Peter zu rächen, noch seiner Familie jemals von den wahren Vorgängen an jenem Unglückstag berichten. Es würde Peter nicht wieder lebendig machen und nur unnötig alte Wunden aufreißen. Lydia würde mit ihrer Schuld leben müssen, das sollte Strafe genug sein.
    Gleich morgen früh würde ich einen weiteren Urlaubstag beantragen und dann zu Lydias Anwalt fahren. Er musste den besten Weg finden, die Briefe offiziell zu machen und Lydia damit vom Mordvorwurf zu entlasten. Ines Helmchen würde ich völlig heraus halten, niemand verdächtigte sie und so sollte es bleiben. Der Gefahr, selbst in den Verdacht der Unterschlagung der Briefe zu geraten, war ich mir bewusst. Vielleicht wusste Dr. Hoffmann ja einen Weg, das zu vermeiden. Konnten ihm
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