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Schicksal!

Schicksal!

Titel: Schicksal!
Autoren: S.G. Browne
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waschen lassen. Und nach der Dusche und der Rasur heute Morgen würde niemand je vermuten, dass ich seit Monaten auf der Straße lebe. Ich muss mich zwar immer noch daran gewöhnen, ein Mensch zu sein. Trotzdem halte ich es für das Beste, dass die Frau, die du überzeugen willst, dich zu lieben, nicht weiß, dass du in einer Notunterkunft wohnst.
    Es ist früh am Morgen, und die Sonne kriecht gerade erst an den Himmel über Queens. Bis auf ein paar vorbeigehende Leute und einen alten Mann, der auf der Bank gegenüber sitzt, ist niemand da. Ich schließe meine Linke um den Strauß Gänseblümchen, den ich gekauft habe, schaue nach links und warte darauf, dass Saras selbstsichere, feminine Gestalt in mein Sichtfeld joggt.
    Das hier ist einer der Orte, an dem ich Sara zuerst joggen gesehen habe. Ich weiß nicht, wie
Bestimmung
das wissen konnte. Oder vielleicht weiß sie es auch gar nicht. Vielleicht war es einfach ein Schuss ins Blaue. Allerdings weiß ich, dass Sara hier immer noch regelmäßig entlangläuft, weil ich sie wieder gestalkt habe.
    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
    Ich denke daran, wie wir uns das erste Mal in der U-Bahn begegnet sind. Eine Vorstellung ohne Worte. Die Art, wie sie mich angelächelt hat und meinen Blick gefangen hielt, mich zugleich entwaffnete und fesselte. Ich denke daran, wie mein Herz rast, wann immer ich an sie denke. Darüber, dass nichts anderes mehr eine Rolle spielt, wenn ich in ihre Augen blicke.
    Sie ist in meiner Seele.
    Sie ist in der Luft, die ich atme.
    Und jeder Atemzug, den ich von ihr nehme, berauscht mich.
    Ich muss nicht lange warten, bis das Objekt meines Rausches erscheint. Während sie sich nähert, wummert mein Herz, meine Hände sind schweißnass. Ich verzehre mich nach ihr – und ich bin sowohl ängstlich als auch freudig.
    Als sie weniger als zehn Meter entfernt ist, stehe ich auf und strecke ihr die Gänseblümchen entgegen.
    Ich kann an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie mich sieht. Aber statt anzuhalten oder in die andere Richtung zu rennen – was ich durchaus für möglich gehalten hätte –, joggt sie weiter auf mich zu, zieht dabei etwas aus ihrer Gürteltasche und hält es mit der rechten Hand nach oben, als wolle sie mir zeigen, was es ist.
    Und ich denke, dass sie vielleicht auch ein Geschenk für mich hat. Vielleicht hatte
Bestimmung
recht. Vielleicht wird alles in Ordnung kommen.
    »Hallo, Sara«, begrüße ich sie und hebe meine rechte Hand zur Begrüßung, während ich die Gänseblümchen noch immer in der linken halte.
    Bevor ich irgendetwas sagen kann, streckt Sara den rechten Arm in meine Richtung und sprüht mich mit irgendetwas ein.
    Danach ist alles, was ich höre, Schreien. Größtenteils mein eigenes.
    Ich taumele davon, wische mir die Augen, schaffe es irgendwie durch den Greywacke Arch zum Turtle Pond. Dort stecke ich den Kopf in das kalte Wasser und versuche, das Feuer in meinen Augen zu löschen. Was es anscheinend nur noch schlimmer macht. Als es mir schließlich gelingt, meine Augen ein wenig zu öffnen, höre ich in der Entfernung Sirenen von der Fifth Avenue, die sich rasch nähern.
    Beschissene
Bestimmung.
Ich wusste es. Ich hätte ihr nicht glauben dürfen.
    Ich kann kaum etwas sehen, als ich vom Turtle Pond wegkrieche und mir einen Weg in westlicher Richtung durch den Central Park suche – vorbei am Delacorte Theater und an der Statue von Romeo und Julia. Sich zu trennen ist so ein süßer Schmerz? Vollkommener Scheiß. Es ist eher wie bittere Qual, wenn man mich fragt.
    Ich hab mir nie was aus Shakespeare gemacht. Der aufgeblasene Depp.
    Als ich endlich die Central-Park-West-Station erreiche und die Stufen zur U-Bahn hinabsteige, kann ich die Sirenen nicht mehr hören. Meine Augen haben sich weit genug geöffnet, so dass ich zumindest so etwas wie eine periphere Sicht besitze. Trotzdem fühlt es sich noch so an, als hätte man mir tausend Nadeln in jeden meiner Augäpfel gerammt.
    Ich nehme die Linie B in Richtung Downtown, steige am Rockefeller Center aus und betrete St. Patrick’s Cathedral. Hier setze ich mich wie ein pflichtbewusster Gläubiger auf eine der hinteren Kirchenbänke und versuche, damit klarzukommen, dass ich ein Idiot bin und dass die Liebe meines Lebens mir gerade Pfefferspray in die Augen gesprüht hat.
    Ich würde gerne denken, dass es bloß eine Kurzschlussreaktion gewesen ist. Dass Sara nur ein bisschen mehr Zeit braucht, um wieder zu sich zu kommen und sich an mich zu erinnern. Um
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