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Schatzfinder

Schatzfinder

Titel: Schatzfinder
Autoren: Hermann Scherer
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Vorlesungen durchaus das Phänomen des Humors zugelassen werden sollte. Er war berühmt für seinen Witz, und seine Studenten liebten ihn dafür. Außerdem ließ er währendseiner Vorlesungen Rückfragen der Studenten zu – was zu damaliger Zeit völlig unüblich war.
    Das Durchbrechen von Gewohnheiten bringt Neues in die Welt.
    »Die Gewohnheit ist das enorme Schwungrad der Gesellschaft und ihr wertvollster konservativer Agent«, schrieb William James. Im Umkehrschluss: Das Durchbrechen von Gewohnheiten bringt Neues in die Welt. Für ihn ist Genialität »kaum mehr als die Fähigkeit, auf ungewöhnliche Weise wahrzunehmen«. Das setzt voraus, überhaupt die Gegenwart wahrzunehmen. Und dazu braucht es Präsenz.
    Präsent war ich einmal auf dem Roten Sofa von Hans Meiser im Fernsehen. Ich kam dazu wie die Jungfrau zum Kind, ich wurde einfach von einem Kollegen gebeten, ihn dort kurzfristig zu vertreten. Ich überlegte gar nicht, sondern sagte einfach zu. Hans Meiser war damals der Talkshow-König im deutschen Fernsehen, und noch während ich darüber nachdachte, was man da wohl am besten anzieht und wie ich am besten nach Köln komme, sagte mein Kollege: »Ach übrigens, das Thema ist Eifersucht, und du hast die Rolle des Eifersuchtsexperten.«
    Eifersucht? Ich habe keine Ahnung davon!
    Also flog ich nach Köln. Während der Probe im Studio bemerkte ich, dass das Sofa für mich langen Kerl arg niedrig war. Meine Hosenbeine rutschen weit hoch, was nichts anderes hieß als: Du brauchst lange Socken! Ich hatte aber keine langen Socken dabei. Außerdem lernte ich vom Aufnahmeleiter: »Scherer, wir wollen, dass du ganz praktisch bist, niemals theoretisch. Zeig was! Mach Übungen mit den Leuten!« – Übungen? Was denn für Übungen? – »Und passen Sie gut auf, nur 2 Prozent unserer Zuschauer haben einen höheren Schulabschluss. Bitte sprechen Sie dementsprechend: Einfach! Fürs Volk!«
    Ich wusste nicht, ob ich das konnte, kaufte mir in Köln aber erst mal noch schnell mit meinem fast komplett leeren Geldbeutel lange Socken, kehrte ins Studio zurück, und schon ging es los: Ich war der große Eifersuchtsexperte! Kurz bevor die Kameras angingen, sagte der Aufnahmeleiter noch lapidar: »Ach, übrigens,falls ich es noch nicht erwähnt habe, wir senden live.« Live! Ach du lieber Himmel! Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte …
    Die Sendung war einfach nur grässlich: Einer hatte das Handy seiner Freundin durchsucht, ob da irgendwelche böse Nummern von anderen Typen drauf sind. Ein anderer schnupperte an den Unterhosen seiner Freundin, ob das alles ausschließlich und original nach ihr roch. Es war abscheulich!
    Und dann war ich dran. Ich war wie der Naked Cowboy bei seinem ersten Auftritt auf dem Times Square, wie William James bei seiner ersten Psychologievorlesung, wie Sie als Bettler in der fremden Stadt – und ich sagte einfach, was mir einfiel. Ich machte irgendwelche komischen Übungen aus dem Stegreif, ich gab den Eifersuchtsexperten, ich klärte die Leute auf, sprach laut und deutlich, gestikulierte wild und engagiert. Immerhin hatte ich lange Socken!
    Sie können mir Hochstapelei, Unredlichkeit, Vorspiegelung falscher Tatsachen und alles Mögliche mehr vorwerfen, wenn sie möchten. Fakt ist: Ich habe es einfach getan. Und es war ein Durchbruch!
    Anschließend bekam ich viele Telefonanrufe. Ständig wollten Leute von mir Sachen lernen, von denen ich keine Ahnung hatte, ich wurde um Rat gefragt, bekam Engagements, war den Leuten plötzlich präsent. Im Zusammenschnitt von RTL der besten Sendungen des Jahres wurde mein Auftritt als Highlight gebracht. Ich war offenbar sehr gut angekommen. Verrückt!
    Einige Zeit später veröffentlichte ich nach dem Fall des Rabattgesetzes 2001 aus dem Bauch heraus ein Buch mit dem Titel
Jeder Tag ist Schlussverkauf
, und plötzlich war ich ständig im Fernsehen, und zwar als der Feilsch-Experte. Ich war schon Experte für alles Mögliche. Und immer galt: Ich war ganz ich selbst, ich machte es einfach, ohne Netz und doppelten Boden.
    Auch das ist eine Form von Freiheit!
Leben als Porno
    Ich mache auf diese Weise aus meinem Leben eine Abfolge von schnellen Nummern – vielleicht weil ich nicht immer Liebesfilme mag. Bei einem Liebesfilm dauert es Stunden, bis es endlich zum entscheidenden Punkt kommt und der überfällige Kuss ausgetauscht wird. So ein Liebesdrama gliedert sich in die Vorstellung der beiden Protagonisten, die sich anfühlt wie 100 Jahre Vorspiel, dann der
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