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Schatz, schmeckts dir nicht

Schatz, schmeckts dir nicht

Titel: Schatz, schmeckts dir nicht
Autoren: Ella Danz
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einer Ehe, nicht allzu lange vor der Goldenen Hochzeit.
    Leicht irritiert versuchte der wohlerzogene Graf, der sich den Erlegerbruch für das weibliche Tier an den Hut heften durfte, wieder die Aufmerksamkeit auf das erlegte Wild zu lenken.
    »Da Frau Homann mich darum gebeten hat, werde ich mit ihr gemeinsam den Hirsch versorgen. Um das weibliche Tier kümmert sich Herr Wiemer, der ja schon über einige Jagderfahrung verfügt, und mein Jagdaufseher wird ihn unterstützen.« Aus seiner Jagdtasche förderte er ein kräftiges Messer mit Horngriff und breiter Klinge zutage, das er als Waidblatt titulierte, und hockte sich neben den Hirschen auf den Waldboden. Frau Homann setzte sich, Wichtigkeit verbreitend, daneben.
    Während er sein Tun in der Jägersprache kommentierte, die Helene wie ein Geheimcode erschien, setzte er mit ruhiger, geübter Hand einen Schnitt an die Kehle des Tieres, holte seinen Schlund heraus, in den er noch einen Längsschnitt machte, um das Ende desselben mehrfach da hindurchzustecken. Dies alles, wie er erklärte, um zu verhindern, dass Panseninhalt austrete. Dann machte er die umstehenden Jagdtouristen darauf aufmerksam, dass die Unterseite, sprich Decke des Hirsches, einen glänzend schwarzen Fleck aufwies, den Brunftfleck nämlich.
    Nur die Tatsache, dass er sich in waidmännischen Fachbegriffen ergehen konnte, ermöglichte dem feinsinnigen Jagdherren, dieses delikate Thema in der Anwesenheit von Damen zu erläutern. In der Brunftzeit spritzen sich die Hirsche nämlich Harn gegen die Bauchdecke, und diese Duftmischung, aus Harn und Samenflüssigkeit, hat wohl auf die Rotwilddamenwelt die erotisierende Wirkung, welche die Werbung den sündhaft teuren Herrenparfums auf Menschendamen andichten will.
    Nun öffnete der Graf die Bauchdecke mit einem langen Schnitt. Es war ein trockenes, schabendes Geräusch, als ob sich jemand nass rasierte, und grausilbrig glänzend quollen Gedärm und Pansen nach draußen. Planmäßig löste dieser Anblick bei Margarethe eine mittlere Hysterie aus, und sie zog sich voller Ekel und schmollend, weil Carlo ihr nicht folgen wollte, zum Landrover zurück. Auch die freundliche, ziemlich ruhige Frau Wiemer schien das Geschehen eher abzustoßen. Aber tapfer blieb sie neben ihrem Mann stehen und blickte des Öfteren ganz unverwandt in die Baumwipfel.
    Mit vor Eifer rotem Kopf war Frau Homann bei der Sache und sehr stolz über jede Handreichung, die sie für den schnell und geschickt arbeitenden Grafen ausführen durfte. Helene war erstaunt, wie sauber und unblutig das Öffnen der Tiere vor sich ging. Eine unspektakuläre Angelegenheit. Ihr Wissensdurst zum Thema Jagd war nun langsam gestillt und sie begann sich zu langweilen. Zum Glück ließ es Herr von Warthenstein auch dabei bewenden, nur noch mit einem Stück Holz die Bauchhöhle der erlegten Tiere zu spreizen, damit sie ordentlich auskühlen konnten, denn Schalenwild müsse in der Decke, sprich mit dem Fell abhängen, wie er erklärte.
    Die Beute wurde zum Wagen geschafft, wo Margarethe mit entschlossener Miene verkündete, von diesen armen Kreaturen beim geplanten Galadinner keinen Bissen anzurühren. Voller Häme belehrte der inzwischen genervte Carlo sein Dummerchen, wie er die junge Frau laut vor den anderen nannte, dass dies sowieso nicht der Braten für den heutigen Abend sein würde, da das Wildbret vor dem Verzehr erst noch reifen müsse.
    »Trotzdem ess ich nichts!«, beharrte das sensible Mädel.
    »Wenn du wüsstest, wie egal mir das ist«, antwortete Carlo völlig uncharmant und schlecht gelaunt.
     
    Da es noch recht früh war, beschloss die Mehrheit der Jagdgäste, so auch Helene mit dem treulich folgenden Hans, zu Fuß zum Schloss zurückzuwandern. Dort angekommen, erwartete sie bereits der angekündigte Mittagsimbiss in der Halle. Der ausgiebige Fußmarsch hatte sie hungrig gemacht, und neugierig schob sich Helene zu dem aufgebauten kleinen Büffet. Es bot wieder einen außerordentlich appetitlichen Anblick, und sie sondierte schon einmal vor dem offiziellen Essensbeginn, aus welchen Köstlichkeiten sie würde auswählen dürfen.
    Ihr Interesse glich dem eines Kunst liebenden Bildbetrachters. Sie ergötzte sich an der Ästhetik der Farben und Formen, schnüffelte konzentriert den Duft der Speisen, maß die Ausgewogenheit der Komposition und versuchte sich im Geiste schon den zu erwartenden Geschmack vorzustellen. Vor allem suchte sie das Neue, ihr Unbekannte, immer in der Hoffnung, wieder auf
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