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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman
Autoren: Andrea Busfield
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Moment die Wangen hinunterkullerten. »Ich
     konnte nicht reinkommen. Ich hab so ein schlechtes Gewissen«, sagte sie schluchzend. »Es ist nämlich alles meine Schuld. Mein
     Tod bringt uns beide um.«
    Unwillkürlich trat Dhespina einen Schritt nach vorn und nahm die Hände des Mädchens zwischen ihre eigenen. »Was um alles in
     der Welt redest du da, Praxi? Dein Tod bringt euch beide um?«
    »Oh, Frau Economidou, es ist so schlimm, wir sind doch beide noch so jung. Wir können es selbst kaum glauben, aber es ist
     wahr. Ich werde sterben, Frau Economidou, es hat keinen Zweck mehr, es zu leugnen. Deshalb haben Loukis und ich die letzten
     zwei Tage nach der perfekten Stelle gesucht, an der ich beerdigt werden und in ewigem Frieden ruhen kann. Heute haben wir
     uns dann für ein Fleckchen Erde unterhalb der Burg St. Hilarion entschieden, im Schutze eines Pistazienbaums. Wir lieben diesen
     Platz beide so sehr, und der Geist des verrückten Mönchs wird ihn stets bewachen, und Loukis war wie ich der Meinung, dass
     es die perfekte Stelle für mein Grab ist. Undobwohl ich wusste, dass er traurig war, hat er nichts gesagt, also hab ich geglaubt, er hätte sich mit meinem Tod abgefunden.
     Aber ich habe mich geirrt, Frau Economidou, denn jetzt scheint es, als würde meine Krankheit auch Ihren Sohn fordern, und
     das halte ich nicht aus. Es tut mir leid … so schrecklich leid … Ich wollte Ihnen Ihren Loukis nie wegnehmen. Zumindest jetzt
     noch nicht. Es ist alles so schrecklich, so, so schrecklich. Und ich würde es Ihnen nicht übelnehmen, wenn Sie mir jetzt,
     wo Sie es noch können, etwas tun würden.«
    Das Mädchen brach in Dhespinas Armen zusammen. Tiefe Schluchzer nahmen ihr die letzte Kraft.
    »Schluss damit, Praxi! Hör auf mit diesem Unsinn. Wie in Gottes Namen kommst du darauf, dass du sterben musst?«
    Praxi schnappte nach Luft und versuchte sich zu beruhigen. Es war nicht leicht, aber Frau Economidou verdiente eine Erklärung.
    »Weil … also … es geht nun schon zwei Tage … und es kommt immer noch Blut. Es hört nicht auf, dabei hab ich schon alles probiert.
     Ich hab versucht, die Wunde mit Stoff zu verschließen, und Loukis hat mir Medizin aus Ihrem Arbeitsraum gebracht, aber es
     blutet immer weiter, und jetzt hab ich auch noch ganz schlimmen Durchfall. Es ist ganz klar, Frau Economidou: Meine Eingeweide
     werden vom Krebs zerfressen.«
    Dhespina sah die Todesangst in den Augen des Mädchens, und das in ihr aufsteigende Lachen wurde im Keim erstickt.
    » Mikri mou
, du wirst nicht sterben! Versprochen. Du wirst reifer, das ist alles. Du wirst eine Frau, Praxi. Und den Durchfall hast du
     ganz gewiss von der Medizin, die Loukis dir nicht hätte geben dürfen. Hier, komm mit. Es wird höchste Zeit für ein Gespräch
     mit deiner Mutter.«
    Dhespina nahm das Mädchen bei der Hand und zog sie den Weg hinunter zu Elenas Haus, weiter ins Dorf hinein.
     
    Christakis war groß und blond – beides ziemlich ungewöhnlich für einen Griechen –, und obwohl ihm seine Mutter als Kindandauernd den Kopf rasiert hatte, um das Unglück abzuwenden, das ihm laut Aberglauben drohte, wuchsen seine Haare kein bisschen
     dunkler nach. Das Schicksal war ihm dennoch hold: Er hatte eine wunderschöne Frau, einen süßen neugeborenen Sohn, und er war
     glücklich. Er hatte keine bedeutende Stellung in der Stadt, so wie sein Bruder Michalakis, aber er machte sich allmählich
     einen Namen mit einem Talent, das sich irgendwann sogar bis zum Oberbefehlshaber der britischen Landstreitkräfte im Nahen
     Osten herumgesprochen hatte. Vier Monate zuvor war zu seiner Überraschung ein Landrover der Armee vor seinem Geschäft vorgefahren,
     und ein Soldat in kurzer Khakihose hatte ihm eröffnet, dass sein Vorgesetzter einen Tisch mit acht Stühlen wolle.
    »Machen Sie sie so stattlich, wie Sie möchten«, erklärte der Soldat strahlend, und Christakis nickte. Da er zu Schulzeiten
     im Englischunterricht nie wirklich aufgepasst hatte, verstand er außer Tisch und Stuhl nichts von dem, was der sommersprossige
     Soldat sagte. Dennoch schüttelte er ihm die Hand und bedankte sich für den Auftrag. Er ging davon aus, dass ein britischer
     Befehlshaber, dem so viele Truppen unterstanden, etwas Massives und Stattliches erwarten müsse, und er würde ihn nicht enttäuschen.
    Kaum war der Soldat wieder abgefahren, nahm Christakis seinen Bleistift zur Hand und zeichnete Skizzen von filigran geschnitzten
     Stuhllehnen mit gewagt
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