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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jan Costin Wagner
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Hochhaus, das elf Stockwerke hat, und habe etwas wirklich Verrücktes erlebt …«
    »Am Anfang ist Mittag«, meint Mara.
    »Gut, also, das Blatt Papier auf dem Tisch ist grün, und die Tischdecke ist weiß …«, beginne ich und greife nach Maras Hand und ins Leere.
    Zurück auf Anfang.
    Alles ordnen. Eins nach dem anderen.
    Am Anfang ist Mittag.
    Die Tischdecke ist weiß.
    Das Logo ist grün.
    Die Marketingmitarbeiter der Bank sind in Grau gekleidet. Der eine trägt eine beige Krawatte, der andere eine blaue.
    Der Kellner ist schwarz und weiß.
    Die mit Spinat gefüllten Ravioli sind rosa und grün.
    Die Spaghetti aglio e olio sind weiß in verschiedenen Schattierungen.
    Die Lasagne ist rot und gelb und heiß.
    »Verbrannt?«, fragt der Marketingmitarbeiter mit der beigen Krawatte.
    Ich nicke und schlucke unter leichten Schmerzen.
    Die rechteckigen Blätter Papier liegen im Zentrum des rechteckigen Tisches.
    Die Tischdecke ist weiß.
    Abgesehen von einem blassen roten Fleck neben dem Salzstreuer.
    Das Salz im Streuer ist weiß.
    Die Blätter sind an den Rändern weiß, im Zentrum neongrün. Neongrün in verschiedenen Schattierungen.
    »Mir gefällt das hier am besten«, sagt der mit der blauen Krawatte und deutet auf ein Blatt Papier mit einer etwas helleren Neongrün-Schattierung.
    »Mhm, ich denke im Moment an dieses hier«, sagt der Beige und deutet auf eine etwas dunklere Variante.
    Ich deute auf ein drittes Blatt, das ein im Vergleich zum Vorschlag des Blauen dunkleres, im Vergleich zum Vorschlag des Beigen helleres Neongrün zeigt. »Mein Favorit wäre dieses hier«, sage ich.
    Der Beige nickt vor sich hin und nippt gedankenverloren an seinem Wein.
    Der Wein ist weinrot.
    Der des Blauen sanft golden.
    Mein Mineralwasser ist durchsichtig und klar. Ich nehme einen Schluck.
    Der Blaue bringt ein viertes Blatt ins Spiel. Ein besonders dunkles. Ein plötzlicher Sinneswandel.
    Viviana wird einen zitronengelben Schlüpfer tragen. Durch die Jalousien wird Sonne brechen.
    »Nee, das ist eher Naturschutzbund«, sagt der Beige.
    Der Blaue isst eine Gabel voll Spaghetti.
    »Langsam frage ich mich, ob wir überhaupt mit Grün richtigliegen«, sagt der Beige.
    Der Kellner fragt, ob alles in Ordnung war und trägt ab.
    »Danke, sehr gut«, sagt der Beige.
    »Mhm«, sagt der Blaue.
    »Danke«, sage ich.
    »Langsam frage ich mich, warum wir nicht Blau genommen haben«, sagt der Beige.
    »Der Schriftzug würde mit Blau nicht funktionieren«, sage ich und lege einige weitere Blätter auf den Tisch.
    Auf den Blättern sind vier Buchstaben in verschiedenen Schattierungen von Neongrün zu sehen. Die Buchstaben sind kantig und symmetrisch angeordnet. Darunter verläuft eine kaum merklich anschwellende Linie, die die Buchstaben wie auf einem fliegenden Teppich in die Höhe zu heben scheint.
    »Gut, wirklich gut«, sagt der Blaue, und ich nicke vor mich hin.
    Der Kellner bringt Nachtisch.
    Die Zabaione des Beigen ist beige.
    Das Tiramisu gelb und dunkelbraun.
    Der Blaue trinkt nur einen Espresso.
    Das Tiramisu ist mit roten Erdbeeren garniert.
    »Der Schriftzug funktioniert nur in Grün«, sage ich.
    »Hm, hm, seh ich ein«, sagt der Beige.
    »Ich finde, dieser hier trifft es«, sage ich und deute auf das Blatt mit dem Schriftzug in meinem bevorzugten Neongrün. »Eigenständig, einprägsam, kräftig, nicht aufdringlich«, erkläre ich.
    Die beiden nicken.
    Ich kaue eine Erdbeere.
    Viviana wird einen zitronengelben Schlüpfer tragen. Durch die Jalousien wird Sonne brechen.
    Der Kellner trägt ab und fragt, ob alles in Ordnung war.
    »Danke, fantastisch«, sagt der Beige.
    »Mhm«, sagt der Blaue.
    Ich lächle wohlmeinend und bitte den Kellner, ein Taxi zu rufen.
    Dann schlucke ich die Erdbeere hinunter.
    Der Beige nimmt das Blatt mit meinem Favoriten in die Hände. Hält es gegen Licht. »Das hat was«, sagt er. »Gute Arbeit.«
    Der Blaue zündet sich eine Zigarette an.
    Die Asche ist grau und schwarz.
    Der Aschenbecher weiß.
    Auf der Tischdecke ist ein Tomatenfleck hinzugekommen.
    Wir treten in die Hitze.
    »Wahnsinn«, sagt der Blaue und zieht sein Jackett aus. Darunter trägt er ein graues Hemd in einer dunkleren Schattierung.
    Das Taxi, in das die beiden steigen, ist beige.
    »Wo soll’s denn hingehen?«, fragt der Fahrer.
    Der Blinker blinkt orange.
    Ich warte, bis sich das Taxi in den Verkehr eingefädelt hat.
    Ich wende mich ab.
    In meinem Mund, in meinen Gedanken der Geschmack von Erdbeeren.
    Ein Lied, das vergessen war.
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