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Schattenspur

Schattenspur

Titel: Schattenspur
Autoren: Mara Laue
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als Durant die Bürotür von außen schloss. Er rieb sich die Hand. Auf der Innenfläche breitete sich ein unangenehmes Kribbeln aus. Das lag wohl an dem aufgerauten Leder von Durants Handschuh, das einen Juckreiz verursachte. Er ging zum Waschbecken und ließ kaltes Wasser dar ü ber laufen. Seine Brust wurde eng. Ein Asthmaanfall? Unmöglich. Er hatte seit neun Jahren keinen mehr gehabt. Er versuchte, tief einzuatmen, aber ein eiserner Ring schien um seine Brust zu liegen, der nicht zuließ, dass seine Lunge sich dehnte und die benötigte Luft einsog. Verdammt, was war das?
    Er wankte zum Schreibtisch, auf dem sein Smartphone lag, um den Notarzt zu rufen. Die Hand, die er Durant gereicht hatte, brannte wie Feuer und hatte begonnen anzuschwellen. Schlagartig begriff Willard. Gift! Durant hatte se i nen Handschuh mit irgendeinem Gift präpariert, das durch die Berührung in seinen Körper drang und ihn umbrachte. Aber warum?
    Er streckte die Hand nach dem Smartphone aus, dessen Konturen ve r schwammen. Die Hand griff ins Leere. Der Rest Luft in seiner Lunge war aufgebraucht. So sehr er versuchte, neuen Atem zu schöpfen, er schaffte es nicht. Er stürzte und fiel in die Dunkelheit.
     
    *
     
    Stille. Wayne Scott schloss die Tür seines Apartments, schloss gleichzeitig die Augen und lauschte. Er hörte den Lärm von den Straßen, ein Flugzeug und aus der Ferne die Musik eines Spielcasinos. Aber in seinem Kopf war woh l tuende Stille. Kein Gedanke eines anderen Menschen drang zu ihm durch.
    Er lächelte. My home is my castle. Und dieses Castle war von einem besond e ren Schutz umgeben, der verhinderte, dass die Gedanken anderer Me n schen in sein Bewusstsein sickerten, während er schlief. Solange er wach war, kon n te er sie ausblenden, weil er schon lange gelernt hatte, seinen Geist g e gen das Chaos von unzähligen Gedanken abzuschirmen, die in den Köpfen der Me n schen um ihn herum kreisten. Aber im Schlaf wurde diese Barriere schwach und hörte ab einem gewissen Punkt auf zu existieren. Mit dem E r gebnis, dass er die Gedanken seiner Nachbarn mitbekam oder ihre Träume mitträumte. Seit eine gute Freundin diesen Schutz installiert hatte, herrschte himmlische Stille, was fremde Gedanken betraf. Von diesen hatte er vorhin mal wieder ungewollt mehr mitbekommen, als er sich g e wünscht hätte.
    Er legte die Autoschlüssel in die Schale auf dem Garderobentisch, hängte sein Jackett an den Kleiderhaken und ging ins Schlafzimmer. Eine heiße D u sche würde ihm guttun und vielleicht die Enttäuschung vertreiben. Dabei sollte er sich längst an diese Art von Enttäuschungen gewöhnt haben. Schließlich sind Telepathen einsame Menschen. Nicht nur, weil sie genau wissen, was die Leute um sie herum wirklich denken und in dem Zug ihre ständigen Lügen entlarven, sondern auch, weil nahezu jeder den Kontakt zu ihnen abbricht, sobald er erfährt, dass er es mit jemandem zu tun hat, der Gedanken lesen kann. „Monster“ war die gängige Beschimpfung, die darauf reflexartig entweder verbal oder in Gedanken erfolgte. So oder so, Wayne hatte immer noch nicht den Punkt erreicht, an dem ihn das kaltließ. Dazu hatte er diese Form von Verletzung zu oft erlebt.
    Heute war es nicht ganz so weit gekommen. Er hatte nach dem Dienst noch einen Drink in The Lounge im Palms genossen. Dass eine schöne Frau, die sich ebenfalls dort aufhielt, Interesse an ihm zeigte, kam ihm alles andere als ungelegen. Das Gespräch mit ihr entwickelte sich positiv, und schon nach ein paar Minuten war klar, dass sie miteinander in irgendeinem Bett landen würden. So weit, so gut. Doch dann hatte sie so intensiv daran gedacht, Wa y ne KO-Tropfen beizubringen und in aller Ruhe seine Kreditkarten zu klonen, dass die Intensität ihrer Gedanken seinen mentalen Block durchdrungen ha t te. Als er daraufhin beiläufig erwähnte, dass er FBI-Agent war, hatte sie sich unter dem Vorwand, die Toilettenräume aufzusuchen, aus dem Staub g e macht.
    Inzwischen hatte er sie von den Kollegen des Las Vegas Police Department festnehmen lassen. In ihrem Hotelzimmer hatten sie eine Menge kopierte Kreditkarten und Rohlinge gefunden sowie Schmuck, der garantiert nicht ihr gehörte, wie etliche eingravierte Widmungen bewiesen. Las Vegas zog eben nicht nur Touristen aus aller Welt an, sondern auch Gauner aller Art.
    Er zog sich aus, ging ins Bad und stellte das Duschwasser so heiß ein, wie er es ertragen konnte. Er stützte die Hände gegen die gekachelte Wand und genoss die
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