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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen
Autoren: Tanja Heitmann
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eine Kinderstimme »Wer is’ da?«.
    »Hallo, wir sind’s. Rufus und seine klettige Schwester Mila. Machst du die Tür auf, Kasper?« Mein Bruder klang richtig nett, dabei gehörte er ansonsten zu der Sorte, die Kinder an Halloween mit einem riesigen Schlachtmesser brüllend durch den Garten verfolgte, damit sie sich bloß nicht wieder blicken ließen. Mit Erfolg.
    »Wer is’ da?«
    »Ich bin’s, Rufus, du Möhre. Mach auf.«
    Ein leises Kichern war zu hören, dann ging die Tür tatsächlich auf und ein mit Tomatensoße beschmiertes Kindergesicht tauchte auf. »Selber Möhre«, sagte der kleine Junge, ehe er mir einen verlegenen Blick zuwarf.
    Der Sesamstraßen-Aufnäher auf dem Knie des Jungen löste meine Starre und ich brachte ein echtes Grinsen zustande. »Also, ich bin Mila, die Schwester von dieser Möhre. Darf ich auch reinkommen?«
    Kasper giggelte vergnügt und zog an seinem Pulli, als wäre der aus Gummi. Ohne eine Reaktion abzuwarten, schnappte sich Rufus den Jungen und klemmte ihn sich unter den Arm. Ich spürte noch kurz meinem rasenden Herzschlag nach, dann trat ich ebenfalls in den Wohnungsflur und schloss die Tür hinter mir.
    In der Küche stand Sam am Herd und rührte in einem Topf, bevor er über die Schulter sah. »Hallo, ihr zwei. Habt ihr auch Hunger?«
    »Immer.« Rufus setzte den zappelnden Kasper auf dem Küchentisch ab und schubbelte einem kleinen Mädchen über den Kopf, das auf einer Anrichte saß und auf einem Holzlöffel kaute. Die Küche war so schlicht eingerichtet, wie es nur irgendwie möglich war. Doch die herumfliegenden Spielsachen und Krickelkrackel-Zeichnungen an den Wänden machten sie heimelig. Hier lebte eine Familie und das fühlte sich gut an.
    »Was ist mit dir, Mila?«
    »Ich bekomme keinen Bissen runter, dafür ist mein Magen vor Aufregung viel zu verkorkst«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Nun drehte Sam sich endgültig um und blickte mich prüfend an. »Ist es wirklich so schlimm mit dieser Arbeit?«
    Ehe ich etwas Dummes wie »Nein, es liegt an dir« antworten konnte, nahm er mir bereits den Ordner mit den Matheunterlagen ab. Dann zeigte er auf eine Eieruhr und sagte zu Rufus, der eine auf dem Tisch stehende Salatschüssel inspizierte, als habe er nicht vor etwa einer halben Stunde den Kühlschrank zu Hause geplündert: »Dann würde ich vorschlagen, dass Mila und ich uns gleich mal ihrem Matheproblem widmen, okay? Die Nudeln sind fast fertig. Für Nele matschst du sie klein, du weißt ja Bescheid. Kasper hat schon die Hälfte der Soße intus, der soll noch ein bisschen Grünzeug hinterherschieben.«
    »Da ist kein Dressing dran.«
    »Was?« Sam blickte verwirrt drein.
    »An dem Grünzeug ist kein Dressing dran. So kriege ich das nie in Kasper rein, du Superkoch.«
    Sam zuckte mit den Schultern. »Die Schüssel stand so im Kühlschrank. Vielleicht findest du ja irgendwas, das man dranmachen kann.«
    Als wolle er mir den letzten Stoß versetzten, rief Rufus »Aye, aye, Sir!« und fing tatsächlich an, im Kühlschrank herumzuwühlen, ein Auge wachsam auf dem Kleinkind. Das war der endgültige Beweis, dass Sam ein Zauber umgab. Normalerweise ließ Rufus lieber die Folter über sich ergehen, als nur einen Handschlag im Haushalt zu tun. Kochen, Füttern, Kinderbespaßung …
    »Was hast du mit meinem Bruder angestellt?«, fragte ich ernsthaft verwundert, als ich Sam in ein Wohnzimmer folgte, in das gerade mal das Sofa samt Sessel, ein Laufstall und ein hässlicher Einbauschrank passten.
    »Wie meinst du das?« Sam hatte sich bereits auf das Sofa gesetzt und die Unterlagen aufgeschlagen, doch ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, mich neben ihn zu setzen. Ich kannte seinen Anblick bislang nur aus der Ferne. Jahrelang hatte ich ihn beobachtet und mir den Kopf über ihn zerbrochen. Nun mit einem Mal neben ihm zu sitzen, mich mit ihm zu unterhalten, ihm in die Augen zu sehen, erschien mir plötzlich wie ein Bruch. Ich stand quasi unter Schock.
    »Mila?« Sam sah mich an, als wisse er nicht so recht, was er von meinem Zögern halten sollte. Dann hoben sich seine Mundwinkel und er schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln. »Na, komm schon. So schlimm kann es doch gar nicht sein.« Mit der Hand deutete er auf den Platz neben sich und bevor ich mich versah, saß ich an seiner Seite, während mir der eigene Atem in den Ohren dröhnte.
    Mit einem Bleistift tippte Sam sich gegen die Unterlippe und brummte ab und zu vor sich hin, während er die Unterlagen durchschaute.
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