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Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen

Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen

Titel: Schattenlord 13 – Der Dolch des Asen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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einziger. Das musste ein Ende haben.
    Dennoch fühlte er sich nicht wohl dabei.
    Harmeau stellte sich neben ihn. Arun hatte mit einem Mal ein mulmiges Gefühl in der Nähe des Matrosen, der älter war, als es seine Vorstellungskraft zuließ. Er trug eine Augenklappe aus hellem Stoff – und verdeckte damit das heile Auge. Das verletzte hingegen, dieser Krater mit einem teilzerstörten Augapfel in einem ebenso zerstörten Gesicht, war ihm zugewandt.
    »Wer bist du wirklich?«, fragte Arun. »Besser gesagt: Was bist du?«
    »Ein Elf, im Gegensatz zu dir, allerdings einer mit ein klein wenig mehr Lebenserfahrung als üblich«, antwortete der Alte ruhig. »Solche Dinge wie diese da« – er deutete beiläufig auf den Erdboden hinab – »habe ich zu oft erlebt, um noch Schmerz oder Verwunderung zu spüren. Wir Elfen haben das sonderbare Geschick, den Gang des Lebens immer wieder durcheinanderzuwürfeln und Katastrophen heraufzubeschwören.«
    »Ich dachte stets, dass die Menschen weitaus schlimmer seien.«
    »Mitnichten.« Harmeau zündete seine Pfeife an. Bilder von tanzenden Faunen schwebten übers Deck und verflüchtigten sich, verloren sich bald zwischen den Segeln. »Wir sind geübt darin, mit den Fingern auf andere Geschöpfe zu deuten und sie für unsere Fehler verantwortlich zu machen.«
    Arun schwieg und dachte nach. Doch sein Kopf war leer; ihm wollte kein vernünftiger Gedanke zu den Worten des Matrosen einfallen. »Was hast du alles gesehen in deinem langen Leben?«, hakte er nach.
    »Viel zu viel, um darüber nachdenken zu wollen«, wich Harmeau neuerlich aus.
    »Gibt es denn noch viele von euch?«
    »Viele von uns Alten haben beschlossen, ihr Leben als Baum, als Stein, als Strauch oder als Windhauch zu beschließen. Eins mit der Natur, weit weg von den Gegebenheiten, die eine Existenz als denkende Wesen ausmachen.«
    »Aber du nicht ...«
    »Ich und vielleicht ein Dutzend weitere Alte haben uns dem verweigert.« Harmeau ließ noch mehr Kobold-Rauchschwaden aufsteigen. Sie tanzten über die Planken, und irgendwie beeinflussten sie die Gemüter der anderen Matrosen. Allmählich wurden die Besatzungsmitglieder ruhiger und kümmerten sich wieder um das Schiff. »Ich halte die Idee, zu versteinern und nur noch dumm in der Gegend dazustehen, offen gestanden für ziemlich hanebüchen. Ich hänge viel zu sehr an meiner Bewegungsfreiheit und der Möglichkeit, selbst Einfluss auf mein Schicksal zu nehmen.«
    »Du besitzt sehr viel Macht ...«
    »Und dennoch hätte ich es niemals allein geschafft, die Gog/Magog zu besiegen.« Harmeau lächelte. Es wirkte grotesk angesichts seines zerstörten Gesichts.
    »Du könntest mit deiner Erfahrung dennoch die Elfenreiche unter deiner Führung einigen und die Dinge verbessern, die du bemäkelst.«
    »Wer sagt, dass ich es nicht schon versucht hätte?«
    Arun schwieg. In Gedanken ging er Namen von Angehörigen der großen Herrschergeschlechter durch und versuchte, sie mit diesem alten, so hinfällig wirkenden Matrosen in Einklang zu bringen. Es wollte ihm nicht gelingen.
    »Um dem Tod und damit Herrn November auszuweichen, ist es ratsam, sich stets im Hintergrund zu halten. Der Wunsch nach Macht und Herrschaft ist bloß ein Zeichen von Gier und mitunter grenzenloser Naivität. Das Leben wird dadurch nicht besser, ganz im Gegenteil.« Harmeau seufzte. »Ich habe meine Lektion gelernt, und ich hatte das Glück, meine Lehrjahre zu überleben. Und seitdem halte ich mich an ganz einfache Regeln: Wenn du etwas vom Leben haben und so etwas wie Glück finden möchtest, dann falle niemals auf. Bleib ruhig, bleib unauffällig. Insofern war es mir nicht ganz unrecht, als du mich batest, dich zu begleiten.«
    Harmeaus Stimme klang vorwurfsvoll – und womöglich auch ein klein wenig drohend. Arun verstand; er würde den Alten gewiss in Ruhe lassen und nicht provozieren.
    »Was wird nun weiter geschehen?«, fragte er. »Ich glaube nicht, dass unser Verhältnis jemals wieder so sein wird wie zuvor.«
    »Tja, dann werde ich wohl gehen müssen, nicht wahr?« Harmeau seufzte. »Schade. Ich hatte gehofft, noch einige hundert Jahre an Bord bleiben zu können. Das Leben als Matrose eines Luftschiffs rückt einem die Perspektive zurecht.«
    »Dann bleib«, sagte Arun ruhig. »Das Schiff braucht dich.«
    »Ist das dein Ernst?« Harmeau klang erfreut.
    »Ja. Es wird sich ohnehin bald alles ändern.« Aruns Blick schweifte düster in die Ferne. »Auch mein Schicksal wird sich bald vollenden, es führt
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