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Schattenkinder

Schattenkinder

Titel: Schattenkinder
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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dem Kopf und klopfte auf seiner Brust herum, als suche er nach einer verborgenen Jackentasche.
    Seine Lippen formten das Wort »Wanze«.
    Als Lukes Eltern verstehend mit dem Kopf nickten, hörte er auf zu klopfen und zog ein amtlich aussehendes Schreiben heraus.
    »Ach, hier sind sie ja. Deine Reisepapiere. Deine Eltern schicken dich auf die Hendrick-Schule für Jungen.
    Und wenn du dich dort nicht zusammenreißt...« Jens Vater warf ihm einen strengen Blick zu, der gleichzeitig irgendwie sein Mitleid ausdrückte.
    »Dürfen« - Mutter räusperte sich - »dürfen wir den Jungen zum Abschied umarmen? Wir haben ihn recht lieb gewonnen, in der Zeit, die er bei uns war.«
    – 76 –
    Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
    Jens Vater nickte und dann schlössen beide Eltern Luke fest in die Arme und ließen ihn wieder frei.
    »Und jetzt sei ein guter Junge, hörst du?«, sagte die Mutter. Luke wusste, dass sie sich bemühte munter zu klingen, so wie sie mit dem Sohn einer anderen Mutter sprechen würde, der ausgerissen war. Aber er brachte beim besten Willen keine scherzhafte Erwiderung zustände. Er nickte nur und musste heftig blinzeln. Dann stolperte er zum Wagen hinüber und versuchte Lee zu sein.
    Jens Vater ging um den Wagen herum und glitt auf den Fahrersitz. Er ließ den Motor an und fuhr los.
    »Du hast wirklich Glück, einen so hoch bezahlten Chauffeur zu bekommen«, meinte er. »Wenn ich nicht ein enger Freund vom Cousin deines Vaters wäre...«
    Luke wusste nicht genau, ob sich hinter diesen Worten eine Nachricht verbarg oder ob Jens Vater für die Wanze einfach drauflosredete. Er konnte das jetzt nicht ergründen, beschloss er. Er sah zu seiner heftig winkenden Familie zurück, bis er sie aus den Augen verlor. Schon bald passierte der Wagen die Rückseite der Scheune und die dahinter liegenden Felder, ein Anblick, den Luke noch nie gesehen hatte, obwohl er sein ganzes Leben in hundert Meter Entfernung verbracht hatte. Trotz der nagenden Furcht in seinem Bauch und dem jetzt schon einsetzenden Trennungsschmerz fühlte er eine gespannte Erwartung in sich aufsteigen. Es gab so viel zu sehen. Das musste er Jen erzählen...
    Jen. Der Kummer, dem er seit Tagen ausgewichen war, übermannte ihn wieder. »Ich tue das auch für dich, Jen«, flüsterte er so leise, dass es bei dem Motorengeräusch weder für ihren Vater noch für die Wanze zu hören war. »Irgendwann, wenn wir alle frei sind, alle dritten Kinder, werde ich ihnen von dir erzählen. Sie werden Denkmäler für dich errichten und Feiertage nach dir benennen...« Es war nicht viel, aber es half. Ein wenig.
    So lange er konnte, blickte Luke zur Farm zurück. Hinter der spärlichen Baumreihe sah er gerade noch das Dach von Jens Elternhaus. Und dann, so schien es, war in Windeseile alles Vertraute am Horizont verschwunden.
    Lee Grant drehte sich um, um zu sehen, was vor ihm lag.
    – 77 –
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