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Schattenkinder

Schattenkinder

Titel: Schattenkinder
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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waren wunderschöne Frauen in eng anliegenden Kleidern und große, kräftige Männer, herausgeputzt wie Weiber, wie der Vater und die Brüder sagen würden - mit glänzenden Schuhen, sauberen, eleganten Hosen und Jacketts. Luke fand die Leute etwas peinlich in ihrer eleganten Aufmachung.
    Vielleicht war es ihm aber auch für seine Familie peinlich, dass sie nie so aussahen wie die Barone. Viel lieber war es ihm, wenn die Erwachsenen Kinder dabei hatten, auf die er sich konzentrieren konnte. Die Kleinsten waren genauso fein gekleidet wie ihre Eltern, mit Haarschleifen, Hosenträgern und anderem Firlefanz, den Lukes Eltern niemals kaufen würden. Die älteren Kinder schienen für gewöhnlich das Erstbeste anzuziehen, das ihnen beim Griff in den Schrank in die Hände fiel.
    Obwohl er wusste, dass es niemand wagen würde, mit drei Kindern aufzutauchen, zählte er dennoch immer nach: »Eins, zwei...« - »Eins...« - »Eins, zwei...«
    Und wenn nun eine Familie mit nur einem Kind hinter ihrem Haus einziehen würde und er sich in ihr Haus schlich und dann so tat, als wäre er ihr zweites Kind? Dann könnte er zur Schule gehen, in die Stadt fahren und sich benehmen wie Matthew und Mark...
    Ein aberwitziger Gedanke - Luke bei den Baronen! Wahrscheinlich würde man ihn eher als Eindringling erschießen oder der Polizei übergeben.
    Wenn er daran dachte, sprang er meist von seinem Ausguck herab und zog aus einem der staubigen Regale im Giebel ein Buch hervor. Mutter hatte ihm, so gut sie es selbst konnte, Lesen und Rechnen beigebracht.
    »Wenigstens haben wir ein paar Bücher für dich...«, murmelte sie oft traurig, wenn sie am Morgen fortging. Er hatte alle Bücher schon Dutzende Male gelesen, selbst solche mit Titeln wie Schweinekrankheiten oder Die Gräser unserer Heimat. Seine Favoriten waren die wenigen Abenteuerbücher - jene, die ihn davon träumen ließen, ein Ritter zu sein, der gegen einen Drachen kämpft, um eine entführte Prinzessin zu retten, oder ein Forschungsreisender auf hoher See, der sich an einen Mast klammert, während um ihn herum ein wilder Sturm tobt.
    – 17 –
    Margaret Peterson Haddix - Schattenkinder
    Er vergaß gern, dass er Luke Garner war, ein verstecktes drittes Kind auf dem Dachboden.
    Irgendwann gegen Mittag hörte er, wie die Tür von der Waschküche zur Küche aufging, und lief hinunter, um gleichzeitig mit seinem Vater zu essen. Ohne Mutter gab es keine selbst gemachten Aufläufe mehr, keinen Kartoffelbrei, keinen Braten, der durch das ganze Haus duftete. Der Vater machte immer vier Sandwiches und er passte auf, dass ihn niemand beobachtete, ehe er zwei davon Luke ins Treppenhaus reichte.
    Der Vater unterhielt sich nie - er wollte vermeiden, dass ihn jemand hörte und auf dumme Gedanken kam, hatte er erklärt. Aber er stellte das Radio an, um den landwirtschaftlichen Mittagsbericht zu hören, und danach kamen gewöhnlich ein oder zwei Lieder, ehe der Vater das Radio wieder ausmachte und hinausging zu seiner Arbeit.
    Wenn der Vater ging, kehrte Luke in sein Zimmer zurück, um zu lesen oder wieder die Häuser zu beobachten.
    Um halb sieben kam die Mutter zurück. Sie schaute immer zuerst bei ihm vorbei und sagte hallo, ehe sie wieder hinuntereilte und in den wenigen Stunden vor dem Zubettgehen die liegen gebliebene Tagesarbeit erledigte. Normalerweise besuchten ihn auch Matthew und Mark, aber auch sie konnten nie lange bleiben. Sie mussten vor dem Abendessen dem Vater helfen und hinterher ihre Hausaufgaben machen. Außerdem waren sie draußen immer am nettesten zu Luke gewesen. Als der Wald noch stand, hatten die drei nach der Schule und den Farmarbeiten im Garten oft Kickball oder Football gespielt. Matthew und Mark stritten sich dabei jedes Mal, wer von ihnen Luke in seiner Mannschaft haben durfte, denn auch wenn er nicht sehr gut war, waren zwei zusammen immer noch besser als einer.
    Jetzt spielten sie halbherzig Karten oder Schach mit Luke und er konnte spüren, dass sie lieber draußen wären.
    Ihm ging es genauso.
    Er versuchte nicht daran zu denken.
    Der schönste Teil des Tages war am Schluss, wenn die Mutter kam, um ihn ins Bett zu bringen. Dann war sie entspannt. Manchmal blieb sie eine ganze Stunde, fragte ihn, was er an diesem Tag gelesen hatte, und erzählte ihm Geschichten aus der Fabrik.
    Dann, eines Abends, als sie ihm gerade erzählte, wie ihr Plastikhandschuh in einem Hühnchen stecken geblieben war, das sie an diesem Tag ausgenommen hatte, stockte sie plötzlich mitten
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