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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz
Autoren: David Farland
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Dunst vorgedrungen war, wußte er, daß Baron Poll recht gehabt hatte: dies war kein gewöhnlicher Nebel.
    Noch nie hatte er so dichte Schwaden gesehen, nicht einmal in den Höfen von Tide. Der Nebel war dick wie Butter, und obwohl der Morgen noch einhundert Meter weiter hinten warm und strahlend hell gewesen war, wurde es jetzt düster und drückend wie in der Nacht. Bald darauf mußte er feststellen, daß er aus dem Sattel nicht einmal mehr die Straße zu seinen Füßen erkennen konnte.
    Er fürchtete, sein Pferd könnte über eine Straßenböschung stolpern, daher kletterte Roland vom Rücken des Streitrosses herunter. Selbst gebückt, kaum mehr als vier Fuß von ihr entfernt, war die Straße unter seinen Füßen sowie das Gras gleich daneben kaum zu erkennen.
    So kam es, daß er sein schnaubendes Streitroß, das die Ohren hängen ließ, zu Fuß durch den Nebel führte.
    Fünf Meilen. Er hatte die Spitzen der weißen Türme in Carris aus dem Nebel hervorragen sehen und die Entfernung auf fünf Meilen geschätzt.
    Nun führte er sein Pferd viele Stunden lang durch den Nebel, kam gelegentlich von der Straße ab, rutschte manchmal in Pfützen aus, aber stets war er sich im unklaren über die Richtung, in die er sich bewegte.
    Die Schwierigkeit, überhaupt noch einen Weg zu finden, wuchs noch beträchtlich an, sobald er eine Ortschaft oder ein Dorf erreichte, denn dort stieß er auf zahlreiche Nebenstraßen, und zweimal ertappte er sich dabei, wie er um eine Häuseransammlung irrte.
    Die Straße wand und schlängelte sich wie gottverdammte Serpentinen, und obwohl er ihr genau am Rand folgte, dort wo das Gras an den Schlamm grenzte, stand nach drei Stunden für ihn fest, daß er irgendwo abgebogen sein mußte, denn er war mit Sicherheit mehr als fünf Meilen gelaufen.
    Während all dieser Zeit hatte er keinen einzigen
    mystarrianischen Soldaten, keinen einzigen Verteidiger gesehen. Im Nebel der Wasserzauberer hätten sich, einen lockeren Bogenschuß von der Straße entfernt, hunderttausend Soldaten verstecken können, ohne daß er einen einzigen zu Gesicht bekommen hätte.
    Während er so dahinwanderte, begann er sich um Averan zu sorgen, die sich in einer kleinen Ortschaft südlich von hier versteckt hielt. Ihm war bewußt, welch entsetzliche Angst sie haben mußte, und er verfluchte sich, weil er ein solcher Narr gewesen und nicht bei ihr geblieben war.
    Und wenn er sich die Wahrheit eingestehen sollte, er merkte, daß er sich ebensolche Sorgen um die grüne Frau machte.
    Abgesehen von dem Versuch, ihm das Blut aus der Hand zu saugen, hatte sie ihm nie etwas getan. Doch seine
    Empfindungen gingen tiefer über bloßes Mitleid hinaus.
    Er wußte nicht recht, wie er es ausdrücken sollte. Sie war so schön wie die elegante Gemahlin eines Runenlords. Roland hielt sich zwar nicht gerade für einen verträumtromantischen Burschen, aber ehrlicherweise mußte er sich eingestehen, daß er sich der Schönheit wegen zu diesem Wesen hingezogen fühlte.
    Andererseits bezweifelte er, ob er sich jemals in eine Frau verlieben könnte, die Reißzähne und grüne Haut hatte.
    Er konnte auch nicht behaupten, daß er ihre Kraft oder ihren Charakter anziehend fand. Soweit er dies zu beurteilen vermochte, hatte sie gar keinen. Und das war überhaupt nicht böse gemeint. Es war schlicht die Wahrheit. Er wußte nicht, ob sie einen Glauben hatte, ob ihr Nächstenliebe oder Zutrauen bekannt war oder irgendeine andere menschliche Tugend. Sie hatte nie etwas anderes getan, als nach Blut zu schreien, herumzulaufen und anschließend auf die Jagd zu gehen.
    Eins jedoch mußte er der grünen Frau lassen: Im Laufe des vergangenen Tages hatte er gemerkt, daß er sich in ihrer Nähe… geborgen fühlte. Er fühlte sich bei ihr sicher, so wie ein kleiner Junge in den Armen seiner Mutter, wenn sie ihn nach einem schlechten Traum tröstet.
    Darüber hinaus spürte er, daß sie ihn brauchte – seine Klugheit und seinen Rat brauchte, damit er ihr den Namen für die Farbe Blau beibrachte, wie man Schuhe trägt oder auf einem Pferd reitet.
    Keine andere Frau hatte ihm je dieses Gefühl gegeben. Keine andere Frau war ihm je so ungeheuer stark und dabei so verletzlich vorgekommen.
    Sie war für ihn so undurchdringlich wie der Nebel. Gerade das Rätselhafte an ihr zog ihn an.
    Er schwor sich, gleich nach Überbringung der Nachricht an Paldane im Schutz der Nacht nach Süden zurückzukehren und in besagtem Dorf nach Averan und der grünen Dame zu
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