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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume
Autoren: Karin Slaughter
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der
    Wand hatten das ein oder andere Mal mit ihrem Vater
    gepokert. Von den restlichen war einer Diakon in der Kirche gewesen, als Sara klein war, ein anderer hatte immer bei den Footballspielen aufgepasst, als sie ein Teenager war
    und hoffnungslos verliebt in Steve Mann, den Leiter des
    Schachclubs. Bevor Sara nach Atlanta zog, hatte Mac An‐
    ders Sara und Steve auf dem Parkplatz hinter dem Hotdog‐
    Laden beim Knutschen erwischt. Ein paar Wochen später
    hatte sich sein Streifenwagen bei einer Verfolgungsjagd
    sechsmal überschlagen und Mac Anders war tot.
    Sara fröstelte, eine abergläubische Furcht jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie wandte sich dem nächsten

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    Foto zu, auf dem die Truppe zu der Zeit zu sehen war, als Jeffrey den Posten des Polizeichefs übernommen hatte. Er
    war von Birmingham nach Grant County gekommen, und
    alle hatten den Fremden mit Skepsis beäugt, vor allem
    nachdem er Lena Adams einstellte, die erste weibliche
    Polizistin des Bezirks. Sara sah sich Lena auf dem Grup‐
    penbild genauer an. Sie hatte trotzig das Kinn gereckt und
    ihre Augen strahlten. Heute waren mehr als ein Dutzend
    Frauen im Streifendienst, doch damals war Lena wohl eine
    Art Pionier. Der Druck musste enorm gewesen sein. Al‐
    lerdings würde Sara in Lena wohl nie ein Vorbild sehen.
    Dafür hatte sie einfach zu viel an Lenas Charakter auszusetzen.
    «Er sagt, du kannst zu ihm nach hinten kommen.» Maria
    stand an der Schwingtür. «Traurig, nicht wahr?», sagte sie mit einem Blick auf das Foto von Mac Anders.
    «Ich war in der Schule, als es passierte.»
    «Ich sage lieber nicht, was sie mit dem Schwein ange‐
    stellt haben, das ihn von der Straße gejagt hat.» Maria war
    die Genugtuung anzuhören. Sara wusste, der Verdächtige
    war in der Zelle so heftig verprügelt worden, dass er ein Auge verloren hatte. Ben Walker, der damalige Polizeichef,
    hatte ein anderes Regiment geführt als Jeffrey.
    Maria hielt ihr die Tür auf. «Er ist im Verhörraum und
    schreibt Berichte.»
    «Danke», sagte Sara und warf noch einen letzten Blick
    auf Mac Anders, bevor sie nach hinten ging.
    Die Polizeiwache von Grant County war in den dreißi‐
    ger Jahren gebaut worden, als die Gemeinden Heartsdale,
    Madison und Avondale ihre Polizeidienststellen und Feuer‐
    wachen zusammenlegten. Das alte Haus hatte vorher
    einen Futtermittelhandel beherbergt, und als die letzten

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    der örtlichen Farmer Bankrott machten, konnte es die Stadt
    billig kaufen. Mit der Renovierung ging dem Gebäude
    allerdings jeglicher Charme verloren, und auch in den fol-genden Jahrzehnten wurde nie etwas zu seiner Verschöne‐
    rung getan. Der Mannschaftsraum war ein schmuckloses
    Großraumbüro, auf einer Seite befand sich Jeffreys Büro,
    auf der anderen der Waschraum. Die Wandverkleidung
    aus dunklem Holzimitat dünstete jetzt noch das Nikotin
    aus den Zeiten vor den Nichtrauchergesetzen aus. Die ab‐
    gehängte Decke sah schmuddelig aus, ganz gleich, wie oft
    die Rigipsplatten erneuert wurden. Der Boden war mit As‐
    bestfliesen ausgelegt, und Sara hielt stets die Luft an, wenn
    sie über das kaputte Stück vor dem Waschraum lief. Und
    dass der Großteil der Polizisten in Grant County Männer
    waren, wurde nirgendwo deutlicher als im Gemeinschafts‐
    waschraum.
    Sara stemmte sich gegen die schwere Brandschutztür, die
    den Mannschaftsraum vom Rest des Gebäudes trennte.
    Vor fünfzehn Jahren war ein Anbau an die Rückseite der
    Wache gepappt worden, als der Bürgermeister herausfand,
    dass sich Geld damit verdienen ließ, wenn man aus über‐
    lasteten Nachbarbezirken Gefangene übernahm. Der Klotz
    mit den dreißig Zellen, dem Konferenzzimmer und dem
    Verhörraum war damals luxuriös gewesen, doch die Zeit
    hatte ihre Spuren hinterlassen, und trotz der relativ frischen Farbe wirkten die neueren Räumlichkeiten genauso
    heruntergekommen wie die alten.
    Saras Absätze klackten, als sie den langen Flur hinun‐
    terging. Vor dem Verhörraum blieb sie stehen und strich
    sich das Kleid glatt, um Zeit zu schinden. Seit Ewigkeiten hatte Jeffrey sie nicht mehr so nervös gemacht, und sie
    hoffte, er sah es ihr nicht an.

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    Jeffrey saß an einem langen Tisch, vor sich mehrere
    Stapel Papier, und schrieb in ein Notizheft. Er hatte das Ja‐
    ckett ausgezogen und die Ärmel hochgekrempelt. Als sie
    eintrat, blickte er nicht auf, doch er musste sie aus den Au‐
    genwinkeln gesehen haben, denn als sie die Tür hinter sich
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