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Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge
Autoren: Nina Blazon
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Zimmer – gerade so weit, dass sie in den angrenzenden Raum sehen konnte. Tageslicht fiel auf den Boden. Eine Terrassentür führte auf ein weiteres Parkgrundstück – und draußen erahnte Zoë das Blitzen von Metallicfarbe. Dort parkte ein Auto! Gizmo? Nein, sein Lieferwagen war weiß. Ihr Herz machte einen schmerzhaften Satz, als ihr einfiel, woher sie den Geländewagen kannte. Im selben Moment hörte sie draußen ein Rascheln. Zoë wollte sich hastig zurückziehen – doch im selben Moment hörte sie hinter sich Atem. Reflexartig sprang sie zur Seite. Ein holziges Parfüm nebelte sie ein und betäubte alle anderen Wahrnehmungen. Fehler! , schrie es in ihrem Kopf. Sie hatte sich so auf die Hintertür konzentriert, dass sie vergessen hatte, darauf zu achten, was hinter ihr war. Sie wirbelte herum, auf einen Kampf gefasst. Doch dann erstarrte sie. Manchmal wurden alle Albträume auf einmal wahr.
    Die Panthera-Reflexe wollten sie reagieren lassen, doch sie konnte nur auf die Hyäne starren, die vor der gerade zufallenden Tür stand. Aber der Schatten war nicht das Schockierendste. Viel schlimmer war der Anblick der menschlichen Gestalt, zu der das Raubtier gehörte.
    »Sieh an, Zoë«, sagte die Frau in ihrer kühlen, freundlichen Art, während die Hyäne misstrauisch in ihre Richtung witterte.
    Sie kann nicht wissen, dass ich ihren Schatten sehe!, fuhr es Zoë durch den Kopf. Erzähl was! Irgendwas!
    »Hallo Frau Thalis«, sagte sie schwach. »Das ist ja eine Überraschung.«
    »Allerdings«, sagte die Lehrerin trocken und verschränkte die Arme. Sie trug einen Trainingsanzug und ihr Schweißband, und sie war barfuß.
    »Was suchst du hier?«, fragte sie. Es klang nicht einmal unfreundlich. Viel eher interessiert.
    Zoë schluckte. »Ich… meine Mutter arbeitet für Dr. Rubio. Er hat ihr einige Unterlagen gegeben – für eine Immobilienfirma. Und ich… ich sollte sie beim Alten Schlachthof einwerfen. Aber komischerweise hat die Firma hier nur ihren Briefkasten.« Klang sie völlig überdreht?
    Frau Thalis zog den linken Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln hoch. »Hören wir auf, Theater zu spielen, Zoë«, sagte sie sanft. »Du bist ein kluges Mädchen – und du weißt, wen du vor dir hast, nicht wahr? Und du weißt längst, was gespielt wird. Sonst hättest du uns kaum gefunden.« Sie lächelte beinahe zufrieden. »Die, die wirklich zu uns gehören wollen, finden uns immer. Oder hat Rubio es dir verraten, bevor wir ihn zum Schweigen gebracht haben?«
    Zoë schluckte und schüttelte den Kopf. Enttäuschung und ihre Wut auf sich selbst brannten in ihren Adern. Wie konnte ich ihr direkt in die Arme laufen?
    »Warum?«, fragte sie leise. »Warum tötet ihr?«
    »Das ist die einfachste Art, an Reviere zu kommen«, erwiderte Frau Thalis trocken. »Es erspart uns die Mühe, später das Erworbene ständig verteidigen zu müssen.« Ihr Lächeln wurde um eine Spur wärmer. »Du machst dir Sorgen, nicht wahr? Das musst du nicht. Du warst nie in Gefahr. Wir wählen sorgfältig aus. Wir beseitigen nur den Müll. Die Edelsteine heben wir auf.« Sie lächelte fein. »Du passt gut zu uns, Zoë. Du hast den Biss und den Willen.«
    Zoës Gedanken überschlugen sich. Schaudernd dachte sie an das Gespräch in der Schule. Vor allem ein Satz bekam plötzlich eine ganz neue, schreckliche Bedeutung: Wenn David dich stört, sorge ich dafür, dass ihr euch nicht mehr über den Weg lauft.
    »Deshalb also die Marathongruppe«, sagte sie leise. »Das war ein Test. Damit finden Sie heraus, welche Schüler zu den Panthera gehören. Und deshalb legen Sie solchen Wert auf Teamarbeit. Es geht immer um das Team .«
    »Und ein Rudel ist mehr als die Summe seiner Mitglieder«, ergänzte Frau Thalis. »Ganz recht. Und du wärst nicht hier, wenn du dich nicht dafür entschieden hättest. Wir sind ein System. Ein mächtiges, gut funktionierendes System, in dem jeder seinen Platz findet, der bereit ist, zum Wohl des Rudels beizutragen. Jeder hat seine Aufgabe. Ich bin die Vorhut, die Späherin gewesen. Und jede der anderen hat ebenfalls ihre Funktion.«
    Zoë schluckte. Zeit gewinnen! Stelle Fragen! »Gehören alle Mädchen der Marathongruppe dazu?«, fragte sie heiser.
    Die Hyäne fixierte sie und Zoë bemühte sich mit aller Kraft, sie zu ignorieren. Doch der Blick in Frau Thalis’ Raubtieraugen, deren Iris diesmal nicht mehr mit Kontaktlinsen getarnt waren, war nicht weniger verstörend.
    »Natürlich nicht«, sagte Frau Thalis
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