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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib
Autoren: Claudia Weiss
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quält …«
    Erneut nickend trank Wrangel noch einen Schluck Bier und überlegte dabei, wie er das Gespräch auf für ihn interessantere und informativere Themen lenken konnte. Denn Asthusen war eine wahre Fundgrube, wenn es darum ging, Straftaten auf den Grund zu gehen. Wohl kaum einer in Hamburg hatte so viel über Verbrechen gehört wie er. Auch die Gäste seiner Schankstube waren natürlich nicht die anständigen Bürger, sondern eher zwielichtige Gestalten, denen die Frohnerei nicht gleich Sorge um ihre Ehre bereitete.
    »Die Zeiten sind schwer, Meister Ismael. Auch mir düngt manches merkwürdig, was hier in Hamburg so geschieht. Erinnert Ihr Euch noch an die Frau ohne Kopf?«
    »Natürlich! Was mir da durch die Lappen ging! Nichts ist aus der Sache geworden. Niemand kannte die Frau, und da es kein Selbstmord war, ging auch die Leiche nicht an mich. Ein christliches Armenbegräbnis auf Kosten des Kirchspieles auf dem Gottesacker bei St. Georg vor den Stadttoren hat sie bekommen.«
    »Genau, und nichts kam bei den gerichtlichen Ermittlungen heraus.« Wrangel trank noch einen kräftigen Schluck Bier. Diese Sache beschäftigte ihn schon einige Zeit. So viele Hoffnungenin einen aufregenden beruflichen Einstieg hatte er damals gehabt. Nichts war daraus geworden. Vielleicht hatte Asthusen ja ein paar Neuigkeiten zu berichten. »Es war mein erster Tag hier in Hamburg, darum weiß ich’s noch wie heute. Auf alle Plätze der Stadt schwärmten die Ausrufer unter Trommelschlag aus und stellten demjenigen, der die Täter selbst anzeigen oder Hinweise zu ihnen machen konnte, eine Belohnung von zweihundert Reichstalern in Aussicht. Dabei hätten sie sogar anonym bleiben dürfen. Selbst Helfershelfer, die beim Transport der Leiche mitgeholfen hatten, und Mitwisser sollten straffrei ausgehen, wenn sie die Mörder anzeigten. Trotz der hohen Belohnung, die der Rat ausgerufen hatte, meldete sich niemand. Prätor Wilken nahm keine weiteren Nachforschungen auf. Es lohne sich nicht, sagte er mir, als ich ihm meine Unterstützung in der Sache anbot.«
    »Ja, der Prätor weiß, wo das Geld zu holen ist. Habt Ihr mal sein Haus am Geesthang gesehen? Allein drei Gärtner beschäftigt er. Und wie viele Mägde durch Haus und Hof eilen, kann man nur ahnen. Die Wilkens verdienen ihr Geld eben lieber mit den Lebenden als mit den Todgeweihten, wie es mir als Scharfrichter obliegt.«
    Mit einem verständnisvollen Lächeln überging Wrangel die Bemerkung Asthusens. Ein Henker war nun einmal kein Senator. Mochte er nebenbei auch ein guter Kaufmann sein, nie würde sich so viel Geld aus Folter und Tod schlagen lassen wie aus ein paar Säcken Muskat oder Kakao, zur rechten Zeit am rechten Ort verkauft. Doch darüber lohnte es nicht mit dem braven Mann zu reden.
    »Was mich wundert«, nahm Wrangel den Faden wieder auf, »ist, dass sich auch der Kopf nicht fand. Der kann doch nicht einfach verschwinden.«
    »Was wisst Ihr schon von Köpfen?«, grinste ihn der Henker, nun sichtlich besser gelaunt, an, da diese Frage klar in sein Metier fiel.
    Wrangel lauschte gespannt. Denn tatsächlich hatte er sich noch nie weitergehende Gedanken über Köpfe gemacht.
    »Ihr kennt meinen Leitspruch: Der Henker ist der Barbier am Körper der Allgemeinheit, er purgiert und schneidet heraus, was die Gesundheit des gesamten Staatskörpers gefährdet. Aber glaubt mir, nicht nur die Gesundheit des Staatskörpers fällt in mein Ressort. Durch mein Handwerk kenne ich den Bau des menschlichen Körpers besser als jeder Barbier, Wundarzt oder gar die studierten Mediziner, die nur Bücher im Kopf haben. Wenn es den Leuten schlecht genug geht, sodass sie vor echtem Schmerz ihre falsche Scheu vor mir überwinden, wenn sie sich Glieder verrenkt oder Knochen gebrochen haben, klopfen sie nachts an meine Tür, um sich kurieren zu lassen. Auch meine Arzneien wollen sie, sind sie doch aus den Teilen der Hingerichteten gemacht, und ihre Wirkung ist in vielen medizinischen Büchern bestätigt.«
    Asthusen richtete sich, von einem gewissen Stolz erfasst, auf, nahm seinen Krug und trank. Dabei schaute er Wrangel vielsagend über den Rand des Kruges in die Augen.
    »Was meint Ihr wohl, welche Heilkräfte aus so einem Kopf zu gewinnen sind? Und welches Geld sie bringen? Nein, mein Lieber«, der Henker schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, »wäre der Kopf gefunden und in einer anderen als meiner Arzneiküche verarbeitet worden, ich hätte es gehört, spätestens aber am Umsatz
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