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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose
Autoren: Nancy Kress
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begrüßen. Das ist im ersten Stock und geht ab
vom… Miss Bohentin?«
    »Ein Namensschild«, sagte Caroline.
    »Ja, aber ich verstehe nicht, was…«
    »Ein Namensschild!«
    »Bitte – beherrschen Sie sich!«
    »Tut… tut mir leid«, stieß Caroline
unter prustendem Gelächter hervor. »Es ist
bloß… ich hatte plötzlich dieses Bild im Kopf,
wie wir alle wie wahnsinnig kritzeln, über unsere
Schreibtische gebeugt… und zu spät zum Empfang
kommen… weil wir alle Namen, die wir in ein paar Tagen
haben werden, auf einem fünf mal siebeneinhalb Zentimeter
großen Rechteck unterbringen wollen – jeden
einzelnen. >Hallo – wer sind Sie?< Linke Spalte,
dritter von unten – können Sie’s nicht
lesen?«
    Und schon gackerte sie wieder los, wie ein kleines Kind. Das
mußte aufhören. Die Hostess – die Schwester, das
Zimmermädchen, was immer sie war – stand steif da, die
Hände an den Seiten, und die weiße Uniform spannte
sich über einen unübersehbaren Hängebusen. Armes
Ding. Caroline richtete den Blick auf den linken Ohrring der
Schwester: eine goldfarbene Helix, die einen Splitter aus blauem
Kunststoff umschloß. Ein alter Trick, aber er
funktionierte: Man konnte keinen Lachkoller kriegen, während
man sich mit aller Macht auf einen Ohrring konzentrierte; es war
zu langweilig. Das manische Gelächter hörte auf.
Caroline streckte der Hostess die Hand hin. Diese ergriff sie
widerstrebend.
    »Tut mir wirklich leid. Bitte entschuldigen Sie. Ich bin
nicht verrückt, ehrlich nicht. Ich fand nur das Namensschild
einfach komisch.«
    »Nun, ich… wenn Sie sonst noch etwas brauchen,
der Bildschirm des Terminals läßt sich von der Wand
ausfahren, und zwar so… Sie können ihn über dem
Schreibtisch oder über dem Bett plazieren. Nur die
OEFL-Programme sind akustisch abrufbar. Standardbanken werden
manuell angewählt. Hier ist die Liste mit den Rufcodes des
Instituts. Sie können auch das Telefon benutzen.
Zimmerservice gibt es nur bis dreiundzwanzig Uhr, aber ich bin
sicher, daß der Portier für Sie…«
    »Ich verspreche, daß ich Ihnen keine
zusätzliche Arbeit machen werde«, sagte Caroline
lächelnd. Sie merkte, wie sie alles hineinlegte, um eine
Reaktion zu erreichen. Nada. Die Frau ließ ihre Hand
los, als ob diese ein totes Ding wäre.
    »Wenn Sie sich dann einrichten
möchten…«
    »Sie können mir ruhig sagen, daß ich nicht
ganz dicht bin, wenn Sie wollen. Oder einfach nervös. Na los
– hinterher fühlen Sie sich bestimmt viel
besser.«
    »Ich bin sicher, daß die Ergebnisse Ihrer
psychologischen Voruntersuchung in Ordnung sind, Miss
Bohentin«, sagte die Hostess steif.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, sagte Caroline,
weiterhin lächelnd; sie versuchte es immer noch. Die Frau
antwortete nicht. Sie machte die Tür betont leise zu.
    Blöde Kuh! Na ja, nein, wahrscheinlich nicht. Man
mußte fair bleiben. Wahrscheinlich war sie bloß
abgestumpft von zu vielen merkwürdigen Leuten, die hier
durchgingen. Durch dieses Zimmer, durch das Institut, durch die
Zeit. Durch den Spiegel.
    Trotzdem – es war auch komisch gewesen. Ein
Namensschild. »Du Tarzan – ich Jane / Messalina /
Nagako / Maria / Bootsie und Og.«
    Immer noch grinsend, begann Caroline die Koffer auszupacken,
die das Personal aufs Bett gehäuft hatte. Wie alle
Krankenhauszimmer, die Caroline je gesehen hatte – und dies war ein Krankenhaus, ganz gleich, wie man hier die
Schwestern zu titulieren beliebte, und auch wenn es angeblich
eine gemütliche kleine Bar im obersten Stock gab –,
erweckte auch dieses den Eindruck der Ignoranz gegenüber der
fortgeschrittenen Technologie, für die es da war. Ein
antikes Bett, eine Frisierkommode, ein eleganter japanischer
Schreibtisch, zwei bequeme Stühle, zweitklassige gerahmte
Drucke und ein ganz normaler Bildschirm. Das Zimmer war zwar
kleiner, als sie erwartet hatte, aber der Schrank war viel
größer. Was war das alte Gebäude gewesen, bevor
es zum Institut für die Operative Erschließung
Früherer Leben umgewandelt worden war? Vielleicht
benötigte man für dieses doch recht extreme Abenteuer
auch eine umfangreiche Garderobe. Brauchte man neue Kleider
für frühere Leben? Brauchte man frühere Leben?
Brauchte man überhaupt irgendwas?
    »Wie Fische Geschrei / Wie Motoren Blei / Wie
Binärzahl’n die Drei – so brauche ich
dihihich.« Gott, was für schreckliche Songs Jeremy
für diese Show geschrieben hatte. Und sie hatte
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