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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz
Autoren: Sara Paretsky
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Augenwinkeln bemerkte ich, wie er auf der Couch zum Telefon rutschte und den Hörer aufnahm. Masters war sein Vorhaben ebenfalls nicht entgangen. Er machte eine Drehung und schoss auf ihn. Die Sekunde, in der er sich abwandte, genügte mir, um nach einer Hechtrolle in die Zimmerecke wieder in den Besitz meiner Smith & Wesson zu gelangen. Als Masters erneut auf mich zielte, schoss ich ihm ins Knie. Er war Schmerzen nicht gewohnt; mit einem gellenden Schrei stürzte er zu Boden und ließ die Waffe fallen. Earl, der sich bisher im Hintergrund gehalten und sich den Anschein gegeben hatte, als sei er am allgemeinen Kampfgeschehen beteiligt, war gleich zur Stelle, um sie an sich zu bringen. Ich zielte auf seine Hand und verfehlte sie; mir mangelte es wohl an Übung. Aber er trat trotzdem den Rückzug an.
    Dann richtete ich die Smith & Wesson auf Tony. »Marsch, auf die Couch.« Tränen liefen ihm über die Wangen. Sein rechter Arm hing völlig verdreht nach unten - ich hatte ihm die Elle zertrümmert. »Ihr Jungs seid nicht mehr als ein Haufen Dreck, und ich würde euch alle drei liebend gern erschießen. Der Staat würde eine Menge Geld sparen. Falls jemand versuchen sollte, an die Pistole heranzukommen, ist er ein toter Mann. Earl, sieh zu, dass du deinen fetten Wanst zur Couch hinüberbewegst; setz dich neben Tony.« Er sah aus wie ein Zweijähriger, dem die Mutter unvermutet den Hintern versohlt hat. Er wirkte völlig aufgelöst, so als breche er gleichfalls jeden Moment in Tränen aus. Doch er rückte widerspruchslos an Tonys Seite. Ich hob den Browning auf, wobei ich ständig die beiden auf der Couch in Schach hielt. Masters' Blut besudelte den Teppich. Er war außer Stande, sich zu bewegen. »Die Polizei wird sich über die Pistole freuen«, sagte ich. »Ich wette, dass daraus der Schuss auf Peter Thayer abgefeuert wurde - stimmt doch, Tony, oder?«
    Ich rief Jill zu: »Lebst du noch dahinten, mein Schatz?«
    »Ja, Vic«, antwortete sie mit ganz dünner Stimme.
    »Fein. Dann komm jetzt raus und wähle die Nummer, die ich dir sage. Wir rufen jetzt die Polizei an, damit sie diesen Haufen Unrat abholen kann. Als Nächstes solltest du Lotty anrufen; sie möchte bitte herkommen und sich um Ralph kümmern.« Ich hoffte, dass von Ralph noch etwas übrig war, um das sie sich kümmern konnte. Er bewegte sich nicht, aber ich konnte ihn mir nicht genauer ansehen - er war in die andere Zimmerhälfte gefallen, und wenn ich zu ihm hinüberging, gerieten mir die Couch und das Telefontischchen in die Schusslinie.
    Jill kroch aus der Deckung des riesigen Sessels, hinter dem sie gekauert hatte. Ihr ovales Gesichtchen war immer noch sehr blass; sie zitterte ein wenig. »Geh hinter mir vorbei, mein Schatz«, wies ich sie an. »Und atme tief durch. In ein paar Minuten hast du's hinter dir, dann kannst du dich gehen lassen. Aber im Moment musst du dich noch zusammenreißen.«
    Sie löste ihren Blick von Masters, der blutend auf dem Boden lag, und ging hinüber zum Telefon. Ich gab ihr die Nummer von Mallorys Dienststelle und bat sie, nach ihm zu fragen. Er war schon nach Hause gegangen. Daraufhin nannte ich ihr seine Privatnummer. »Ist Lieutenant Mallory zu sprechen?«, fragte sie mit ihrer klaren, höflichen Stimme. Als er am Apparat war, forderte ich sie auf, mir das Telefon herüberzubringen, ohne mir ins Schussfeld zu geraten.
    »Bobby? Hier ist Vic. Ich bin in der East Elm Street zweihundertdrei in Gesellschaft von Earl Smeissen, Tony Bronsky und einem Typ von Ajax namens Yardley Masters. Sein Knie ist hin, und Bronsky hat einen kaputten Arm. Ich habe auch die Pistole hier, mit der Peter Thayer erschossen wurde.«
    Mallory brauste zuerst einmal auf. »Soll das ein Witz sein, Vicki?«
    »Bobby, mein Vater war Polizist. Ich bin nicht der Typ, der solche Witze macht. East Elm Street zwei-null-drei, Apartment siebzehn-null-acht. Ich will zusehen, dass ich die drei nicht erschieße, bevor du hier eintriffst.«

18
    Blutsbande
    Es war zehn Uhr, als die kleine dunkelhäutige Schwester zu mir sagte: »Eigentlich hätten Sie gar keinen Zutritt, aber er weigert sich einzuschlafen, bevor Sie ihn besucht haben.« Ich folgte ihr in das Krankenzimmer, in dem Ralph untergebracht war. Sein Gesicht war sehr bleich, doch seine grauen Augen blickten recht munter. Lotty hatte seine Wunden tadellos versorgt, sodass der Arzt in der Ambulanz nur den Verband zu wechseln brauchte, ohne sich um die Verletzungen zu kümmern. Wie Lotty bereits erwähnte: Sie
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