Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
auf. Es war nicht die Sekretärin.
    »Sie sind ganz ohne Zweifel wesentlich dekorativer als der junge Thayer«, verkündete der Beobachter. »Sind Sie seine Nachfolgerin?«
    Der Sprecher war in Hemdsärmeln, ein Mann Mitte dreißig, dem man kaum erst sagen musste, wie gut er aussah. Ich bewunderte seine schmalen Hüften und die Art, wie er seine Brooks-Brothers-Hosen trug.
    »Gibt es hier überhaupt jemanden, der Peter Thayer gut kennt?« fragte ich.
    »Yardleys Sekretärin ist ganz verrückt nach ihm, aber ich kann nicht beschwören, dass sie ihn kennt.« Er trat näher heran. »Weshalb das Interesse? Sind Sie vom Finanzamt? Hat der Kleine etwa die fälligen Steuern für den umfangreichen Familienbesitz hinterzogen, der ihm überschrieben wurde? Oder ist er mit Geldern der Schadensabteilung durchgebrannt und hat sie dem Revolutionskomitee übergeben?«
    »Was den Beruf angeht, haben Sie richtig getippt«, gab ich zu. »Und verschwunden ist er offenbar auch. Ich habe übrigens nie mit ihm gesprochen«, fügte ich vorbeugend hinzu. »Kennen Sie ihn?«
    »Besser als die meisten hier oben.« Er grinste fröhlich; trotz seiner Arroganz wirkte er sympathisch. »Er erledigte wohl Kleinarbeiten für Yardley - Yardley Masters, mit dem Sie sich gerade unterhalten haben. Ich bin Yardleys Haushaltsexperte.«
    »Was halten Sie von einem Drink?«, schlug ich vor.
    Er sah auf die Uhr und grinste wieder.
    »Sie haben mich überzeugt, werte Dame.«
    Er hieß Ralph Devereux. Im Aufzug erzählte er mir, dass er erst kürzlich aus einem Vorort in die Stadt gezogen sei und das gemeinsame Haus in Downers Grove nach der Scheidung seiner Frau überlassen habe. Die einzige ihm bekannte Bar im Geschäftsviertel sei Billy's, der Treffpunkt der Schadensabteilung. Ich schlug das etwas weiter westlich gelegene Golden Glow vor, um den Leuten aus dem Weg zu gehen, die er kannte. Auf unserem Weg durch die Adams Street kaufte ich die Sun-Times.
    Das Golden Glow ist eine Besonderheit in der südlichen Innenstadt. Die winzige Kneipe aus dem vorigen Jahrhundert ist auch heute noch mit einer hufeisenförmigen Mahagonibar ausgestattet, um die sich die echten Trinker versammeln. Acht oder neun kleine Tische und Nischen drängen sich entlang der Wände, und ein paar Tiffany-Lampen, die noch aus der Zeit stammen, zu der das Lokal eingerichtet wurde, sorgen für anheimelnde Beleuchtung. Barkeeper Sal ist eine wundervolle dunkelhäutige Frau von beinahe einsachtzig. Ich habe schon beobachtet, wie sie nur durch ein Wort und den entsprechenden Blick eine Rauferei beendet hat - mit Sal lässt sich so schnell keiner ein. Am heutigen Nachmittag trug sie einen silbernen Hosenanzug. Umwerfend!
    Sie begrüßte mich mit einem Kopfnicken und brachte ein Glas Black Label in unsere Barnische. Ralph bestellte einen Gin-Tonic. Das Lokal war nahezu leer; vier Uhr nachmittags ist ein bisschen früh, selbst für die im Golden Glow verkehrenden Gewohnheitstrinker.
    Devereux legte einen Fünf-Dollar-Schein für Sal auf den Tisch. »So, nun erzählen Sie mal, weshalb sich so eine großartige Frau wie Sie für einen grünen Jungen wie Peter Thayer interessiert.«
    Ich schob ihm sein Geld wieder hin. »Sal setzt es auf meine Rechnung«, erklärte ich. Dann blätterte ich die Zeitung durch. Für die Vorderseite war die Meldung zu spät eingegangen, aber man hatte zwei Viertelspalten auf Seite sieben dafür reserviert. RADIKALER BANKERBE ERSCHOSSEN lautete die Schlagzeile. Thayers Vater wurde im letzten Absatz kurz erwähnt. Den meisten Platz nahm ein Bericht über seine vier Wohngenossen und ihre radikalen Aktivitäten ein. Die Ajax- Versicherungsgesellschaft war mit keiner Silbe erwähnt.
    Ich faltete die Zeitung und wies Devereux auf die Meldung hin. Er warf zunächst einen kurzen Blick darauf, aber als bei ihm der Groschen fiel, riss er mir das Blatt aus den Händen. Ich beobachtete ihn während des Lesens. Die Meldung war knapp; er musste sie mehr als einmal gelesen haben, bevor er verwirrt zu mir aufsah.
    »Peter Thayer? Tot? Was soll das heißen?«
    »Weiß ich auch nicht. Ich möchte es gern herausfinden.«
    »Sie wussten es bereits, als Sie die Zeitung kauften?«
    Ich nickte. Er warf nochmals einen Blick auf den Bericht und blickte mich dann an. Auf seinen ausdrucksvollen Gesichtszügen zeigte sich Verärgerung.
    »Und woher?«
    »Ich habe die Leiche entdeckt.«
    »Warum, zum Teufel, haben Sie mir das nicht schon drüben bei der Ajax erzählt, statt so ein Versteckspiel zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher