Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
im Laufschritt die Treppen hinunter, drei Stufen auf einmal nehmend. Die halbe Häuserzeile bis zu meinem Wagen schaffte ich in fünfzehn Sekunden. Ich legte den Gang ein und raste in Richtung Lake Shore Drive davon.
    Warum war jeder gottverdammte Einwohner Chicagos heute unterwegs, und was hatten sie alle auf der Belmont Avenue zu suchen?, fragte ich mich wütend. Und warum waren die Ampeln so programmiert, dass sie an jeder Kreuzung auf Rot sprangen? Und warum musste jedes Mal so ein halb schwachsinniger Trottel vor mir stehen, der bei Gelb die Kreuzung nicht freigab? Ich trommelte voller Ungeduld auf nein Lenkrad, aber das beschleunigte den Verkehr auch nicht. Dauerhupen half ebenfalls nichts. Ich probierte es mit Zwerchfellatmung, um mich zu beruhigen. Ralph, du blöder Hammel! Lieferst dich einem Mann aus, der in den vergangenen vierzehn Tagen zwei Menschen ermorden ließ. Weil Masters den karierten Binder der Ehemaligen trägt und du in seiner Abteilung arbeitest, kann er unmöglich ein Krimineller sein. Wo kämen wir denn da hin! Ich schlängelte mich an einem Bus vorbei und hatte freie Bahn bis zur Sheridan Road and der Einfahrt zum Lake Shore Drive. Es war 19 Uhr 24. Ich schickte ein Stoßgebet zum Schutzheiligen aller Raser und :rat das Gaspedal meines Chevy ganz durch. Um 19 Uhr 26 jagte ich hinein in die La Salle Street und fetzte die Parallelstraße zur Elm Street hinunter. Um 19 Uhr 29 parkte ich vor einem Hydranten in der Nähe von Ralphs Haus und stürzte zur Eingangstür.
    Es gab keinen Portier. Ich drückte in rascher Folge auf ungefähr zwanzig Klingelknöpfe. Verschiedentlich quäkte die Sprechanlage »Wer ist da?«, aber irgendeiner bediente einfach den Türöffner. Ungeachtet der vielen Einbrüche, die auf diese Weise über die Bühne gehen, gibt es immer wieder einen einfältigen Schwachkopf, der für dich den Türöffner betätigt, ohne zu wissen, wer du bist. Der Lift brauchte eine Ewigkeit. Als er endlich angekommen war, trug er mich allerdings sehr rasch hinauf in den siebzehnten Stock. Ich stürzte durch den Gang zu Ralphs Wohnung und hämmerte gegen die Tür; meinen Revolver hielt ich schussbereit in der Hand.
    Als die Tür aufging, presste ich mich flach gegen die Wand and hechtete dann mit vorgehaltener Waffe in die Wohnung.
    Ralph starrte mich erstaunt an. »Was, zum Teufel, soll das?«, fragte er. Es war sonst niemand im Zimmer.
    »Gute Frage«, versetzte ich und stand auf.
    In dem Moment läutete es. Ralph drückte auf den Türöffner. »Ich hätte nichts dagegen, wenn du jetzt gingest«, bemerkte er. Ich rührte mich nicht vom Fleck. »Steck wenigstens den verdammten Revolver weg!« Ich verstaute ihn in meiner Jackentasche, ließ ihn aber nicht los.
    »Tu mir bitte einen Gefallen«, bat ich ihn. »Wenn du die Tür aufmachst, dann stell dich bitte nicht direkt in den Türrahmen.«
    »Du bist das hirnverbrannteste gottverdammte ...«
    »Nenn mich bitte nicht hirnverbranntes Weibsstück, sonst jage ich dir eine Kugel ins Kreuz. Geh lieber mit deiner verdammten Figur hinter der Tür in Deckung, wenn du aufmachst.«
    Ralph warf mir nur einen feindseligen Blick zu. Als es wenig später klopfte, ging er ohne Zögern zur Tür und postierte sich beim Öffnen demonstrativ in voller Körpergröße im Türrahmen. Ich selbst trat seitlich ins Zimmer, parallel zur offen stehenden Tür, und wappnete mich für das Kommende. Aber es fielen keine Schüsse.
    »Hallo, Yardley, was haben Sie denn vor?«, war Ralph zu vernehmen.
    »Das ist meine kleine Nachbarin, Jill Thayer, und das hier sind ein paar Kumpel, die ich mitgebracht habe.«
    Verblüfft begab ich mich zur Tür. »Jill?«
    »Ach, Sie sind hier, Vic?« Ihr helles Stimmchen schwankte ein wenig. »Es tut mir Leid. Paul hat mich angerufen, um mir zu sagen, dass er mit dem Zug käme, und ich wollte ihn vom Bahnhof abholen. Dann ist Mr. - Mr. Masters in seinem Wagen an mir vorbeigefahren und hat mich mitgenommen - und - und ich habe ihn wegen des Dokuments gefragt, und er hat mich gezwungen, mit ihm zu fahren. Es tut mir wirklich leid, Vic. Ich weiß, ich hätte nichts sagen sollen.«
    »Macht nichts, mein Schatz ...« begann ich, doch Masters unterbrach mich mit den Worten: »Ach, hier sind Sie! Wir hatten sowieso vor, Ihnen und der von Jill so bewunderten Wiener Ärztin einen Besuch abzustatten. Sie haben uns den Weg erspart.« Er warf einen Blick auf meinen Revolver, den ich inzwischen gezogen hatte, und lächelte unverschämt. »An Ihrer Stelle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher