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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
Autoren: John Scalzi
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fast substanzlos.
    Bashar hat bereits einen Teil des Geheimnisses dieses Mannes erkannt. Sein Wissen ist nonverbal, vielleicht sogar präverbal, tief im Kleinhirn verwurzelt, wo sich Reiz und Reaktion abwechseln. Dieselben Instinkte, die Bashar zu einem tödlichen Meisterschützen machten, haben ihn bereits vor Tygre kapitulieren lassen. Es wird einige Zeit beanspruchen, bis der Sicherheitschef seine Reaktionen entwirren kann, um sich des Verrats bewusst zu werden.
    Vorläufig spiegelt er lediglich Tygres Lächeln und beobachtet zwei Frauen vom Sicherheitssubkomitee, die versuchen, den Mann fertigzumachen. In gewisser Weise hat der Anblick etwas Amüsantes.
    Anna Chao ist stämmig und zornig und hat dynamische Tintentattoos, die ihre Arme hinauf- und hinunterkriechen, eine angemessene Darstellung, wie der Göttliche Wind die Mongolenflotte überwältigte. Manchmal glaubt Bashar, sehen zu können, wie die Flugzeugträger im Sturm versinken, wie ihre Flaggen mit den Sternen und Streifen zu Asche verbrennen. Im Hauptberuf ist Anna Vorarbeiterin der Steinmetze, die Basalt aus den Schluchten und Spalten des Berges unter ihren Füßen brechen, wobei sie darauf achten, die Platten und Säulen so zu entnehmen, dass eine natürlich wirkende Lücke zurückbleibt. Damit hat sie sich die Muskeln eines verkümmerten Riesen erarbeitet, aber seltsamerweise keine Spur von Geduld.
    Ihre Verhörpartnerin bei diesem Guter-Polizist-böser-Polizist-Spiel ist eine kleine Person von afroamerikanischer Abstammung. Gloria Berry ist nur knapp einen Meter groß und hat den Körperbau einer Bowlingkugel. Außerdem ist Gloria mit Abstand die gemeinste Person, die Bashar jemals kennengelernt hat, und in seinem langen Leben hat er viele bösartige Sadisten und gute alte Genickbrecher kennengelernt. Gerüchten zufolge soll sie mehr Liebhaber gehabt haben als jede andere Frau oder jeder andere Mann in Cascadiopolis.
    Übereinandergestellt wären die beiden kaum groß genug, um als Wachposten am Granittor geeignet zu sein, aber sie haben schon manchen testosterongeschwängerten Koloss zur Strecke gebracht.
    Tygre lächelt nur.
    »Es ist mir verdammt egal, wie Sie hier reingekommen sind«, sagt Gloria mit einem unpassenden Echo der Drohung in der piepsigen Stimme. »Es ist mir verdammt egal, wen Sie kennen, wen Sie ausgenutzt haben oder wen Sie gekauft haben, um hierherkommen zu können.« Ihre Finger fliegen durch ein haptisches Interface aus Mikrowatt-Lasern und passiven Bewegungssensoren, um den piezoelektrischen, in schwarze Steinblöcke eingebetteten malaysischen Quantenmatrizes Daten zu entlocken. Das Ergebnis sieht nicht gut aus. »Was mir aber keineswegs egal ist, mein Lieber, Süßer …« Bei diesen Worten läuft es Bashar kalt über den Rücken. »… ist die Frage, wie es kommt, dass Sie nirgendwo im westlichen Nordamerika zu existieren scheinen.«
    Anna überprüft Tygres Pflaster mit besorgt gerunzelter Stirn. Obwohl sie während ihrer Tagschicht einen Hammer schwingt, geht sie nun behutsam wie ein Schmetterling vor. »Er steckt es ein, Glo. Wie soll ich sagen? Es bewirkt einfach nichts.«
    Tygres Lächeln wird noch breiter. Anscheinend genießt er es, die Nacht in der entzückenden Gesellschaft dieser beiden Frauen zu verbringen. Bashars Kleinhirn regt sich, drängt ihn, außer der Reihe das Wort zu ergreifen. »Ich glaube, so kommen wir mit diesem Burschen nicht weiter, meine Damen.«
    Der Blick, den Gloria ihm zuwirft, hätte einem schwächeren Mann schwere Verletzungen zugefügt. »Wir sagen dir nicht, wie du deine Arbeit tun sollst, Soldatenjunge, also halt auch du deine Zunge im Zaum.«
    Anna greift in eine Werkzeugkiste, die früher einmal hellrot gewesen war, nun jedoch mit Schichten aus Aufklebern bedeckt ist, die eine archäologische Abfolge von Protestbekundungen und Untergrundmusiktrends dokumentieren. Sie zieht eine uralte Zange hervor, deren Griffe mit schmutzigem Verbandsmull umwickelt sind. Das Werkzeug riecht wie eine alte Wunde; selbst Bashar, der fünf Meter entfernt ist, nimmt den Gestank wahr. Tygre betrachtet sie mit höflichem Interesse, dann spricht er mit seiner göttlichen Stimme. »Benötigen Sie Hilfe bei einer Reparaturarbeit, Madam?«
    »Nur mit Ihnen«, sagt Anna.
    »Benötige ich irgendeine Form von Justierung? Wenn Sie etwas wissen möchten, müssen Sie mich nur danach fragen.«
    An dieser Stelle muss Bashar lachen, obwohl er es hinter geschlossenen Lippen tut. Das grausame Gespann hat Tygre nun schon
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