Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen

Titel: Sayers, Dorothy L. - Lord Peter 02 - Diskrete Zeugen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
die sonst rosigen Wangen aschfahl, schien sie vom Gram überwältigt. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und machte ihre Aussage mit leiser, zeitweise kaum hörbarer Stimme.*
    Nachdem der Untersuchungsrichter ihr sein Beileid ausgesprochen hatte, fragte er: »Wie lange waren Sie mit dem Verstorbenen verlobt?«
    Zeugin: »Etwa acht Monate.«
    Untersuchungsrichter: »Wo haben Sie ihn kennengelernt?«
    Zeugin: »Im Haus meiner Schwägerin in London.«
    Untersuchungsrichter: »Wann war das?«
    Zeugin: »Ich glaube, im Juni vorigen Jahres.«
    Untersuchungsrichter: »Waren Sie glücklich in Ihrer Verlobungszeit?«
    Zeugin: »Durchaus.«
    Untersuchungsrichter: »Sie haben Hauptmann Cathcart natürlich häufig gesehen. Hat er Ihnen viel aus seinem Vorleben erzählt?«
    Zeugin: »Nicht sehr viel. Wir hielten beide nichts von Geständnissen. Gewöhnlich haben wir uns über Themen von allgemeinem Interesse unterhalten.«
    Untersuchungsrichter: »Hatten Sie viele solcher Themen?«
    Zeugin: »O ja.«
    Untersuchungsrichter: »Hatten Sie nie den Eindruck, daß Hauptmann Cathcart etwas bedrückte?«
    Zeugin: »Nicht direkt. In den letzten Tagen kam er mir ein wenig bekümmert vor.«
    Untersuchungsrichter: »Hat er Ihnen von seinem Leben in Paris erzählt?«
    Zeugin: »Ja, vom Theater und sonstigen Zerstreuungen. Er kannte Paris sehr gut. Ich habe letzten Februar in Paris bei Freunden gewohnt, als er dort war, und er hat uns viel herumgeführt. Das war kurz nach unserer Verlobung.«
    Untersuchungsrichter: »Hat er je vom Kartenspiel in Paris gesprochen?«
    * Aus einem Zeitungsbericht – nicht von Mr. Parker
    Zeugin: »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Untersuchungsrichter: »Was Ihre Heirat angeht – war da schon über die finanzielle Seite gesprochen worden?«
    Zeugin: »Ich glaube nicht. Das Hochzeitsdatum stand überhaupt noch nicht fest.«
    Untersuchungsrichter: »Machte er den Eindruck, als ob er immer genug Geld hätte?«
    Zeugin: »Ich nehme es an. Darüber habe ich nie nachgedacht.«
    Untersuchungsrichter: »Sie haben ihn nie über Geldverlegenheiten klagen hören?«
    Zeugin: »Darüber klagt doch jeder.«
    Untersuchungsrichter: »War er von Natur aus ein fröhlicher Mensch?«
    Zeugin: »Er war sehr launisch; bei ihm wechselte die Stimmung fast täglich.«
    Untersuchungsrichter: »Sie haben Ihren Bruder gehört, der gesagt hat, daß der Verstorbene Ihre Verlobung habe auflösen wollen. Wußten Sie davon?«
    Zeugin: »Nicht im mindesten.«
    Untersuchungsrichter: »Können Sie es sich jetzt irgendwie erklären?«
    Zeugin: »Absolut nicht.«
    Untersuchungsrichter: »Einen Streit hatte es also nicht gegeben?«
    Zeugin: »Nein.«
    Untersuchungsrichter: »Sie waren demnach Ihres Wissens am Mittwochabend noch immer mit dem Verstorbenen verlobt und gedachten sich in Kürze mit ihm zu verheiraten?«
    Zeugin: »J-a. Ja, gewiß. Natürlich.«
    Untersuchungsrichter: »Er war nicht – verzeihen Sie mir die schmerzliche Frage – er war nicht der Mann, dem man hätte zutrauen können, daß er Hand an sich selbst legte?«
    Zeugin: »Also, daran habe ich nie – nun ja, ich weiß nicht – denkbar wäre es schon. Das würde ja alles erklären, nicht?«
    Untersuchungsrichter: »Nun, Lady Mary – bitte quälen Sie sich nicht, lassen Sie sich ruhig Zeit –, aber könnten Sie uns einmal genau schildern, was Sie am Mittwochabend und Donnerstagmorgen gehört und gesehen haben?«
    Zeugin: »Ich bin gegen halb zehn zusammen mit Mrs. Marchbanks und Mrs. Pettigrew-Robinson zum Schlafen hinaufgegangen; die Männer blieben alle noch unten. Ich habe Denis, der auf mich nicht anders wirkte als sonst, gute Nacht gesagt. Als die Post kam, war ich nicht mehr unten. Ich bin sofort in mein Zimmer gegangen. Mein Zimmer liegt auf der Rückseite des Hauses. Gegen zehn hörte ich Mr. Pettigrew-Robinson heraufkommen. Die Pettigrew-Robinsons schlafen im Zimmer neben meinem. Mit ihm kamen noch ein paar Männer die Treppe herauf. Meinen Bruder habe ich nicht heraufkommen hören. Etwa um Viertel nach zehn hörte ich dann zwei Männer laut auf dem Korridor reden, und dann lief einer von ihnen die Treppe hinunter und schlug laut die Haustür zu. Danach hörte ich schnelle Schritte auf dem Flur, und schließlich hörte ich meinen Bruder die Tür zu seinem Zimmer schließen. Dann bin ich zu Bett gegangen.«
    Untersuchungsrichter: »Haben Sie sich nicht nach der Ursache der Störung erkundigt?«
    Zeugin (gleichgültig): »Ich dachte, es sei irgend etwas wegen der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher