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Sascha - Das Ende der Unschuld

Sascha - Das Ende der Unschuld

Titel: Sascha - Das Ende der Unschuld
Autoren: Andy Claus
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sich in echte Verzweiflung. Diese Verzweiflung war es, die ihn hinaustrieb, um dort nach seinem Freund zu suchen.
    Aber Marc schien wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein, nirgendwo konnte man ihm etwas von ihm sagen. Als Sascha am vierten Tag nach Marcs Verschwinden geschwächt von Hunger und stundenlangem Herumlaufen zurückkam in das Zimmer, wurde er von den anderen empfangen und kurzerhand auf die Straße gesetzt. Er konnte nicht für das Zimmer bezahlen, deshalb musste er gehen. Weder seine Tränen noch sein Schimpfen konnten die anderen Kids umstimmen. So stand er wenig später draußen. Er hatte nichts bei sich, seine Sachen waren sozusagen als Miete einbehalten worden und er konnte nichts dagegen tun.
    Er fühlte sich ungerecht behandelt, aber das Gefühl verging schnell. Bald schon konnte er sich nur noch auf seinen knurrenden Magen konzentrieren. Bis jetzt hatte er wenigstens einmal am Tag ein dünnes Rindfleischsüppchen gegessen, das im Zehnerpack von irgendwem für ein paar Pfennige im Aldi gekauft wurde. Aber nun hatte er gar nichts mehr.
    Die erste Nacht nach seinem Rauswurf verbrachte er allein zwischen Stapeln von Zeitungspapier in irgendeinem Hinterhof. Sein Magen weckte ihn bereits im Morgengrauen wieder. Er lief umher, um die Kälte der Nacht aus seinen Gliedern zu vertreiben und seine Gedanken kreisten ausschließlich um die nächsten Minuten. Nur kurz überlegte er, einfach wieder nach Hause zu gehen. Aber die Angst vor der Strafe war stärker als die Hoffnung darauf, endlich wieder ausruhen zu können und satt zu sein.
    Deswegen suchte er fieberhaft nach einem anderen Ausweg. Schließlich ging er in ein Geschäft, füllte seine Taschen mit allem möglichen Essbaren und versuchte, damit unauffällig die Kasse zu passieren. Er hatte jedoch kein Glück, denn gerade als er erfreut, es geschafft zu haben, nach draußen verschwinden wollte, legte sich eine Hand auf seine Schulter und er hörte diese Stimme, die ihm befahl:
    „Komm doch mal mit.“
    Sich losreißen und rennen war eins. Sascha lief, bis seine Lungen brannten, als habe er Flammen geatmet und kam erst am Rheinufer wieder zur Ruhe. Wenn er überhaupt einen Verfolger hatte, so hatte er diesen jetzt abgehängt. Aber der Schreck saß dem Jungen noch immer in den Knochen. So weit war er also schon, er musste stehlen, um zu überleben. Er schämte sich, versuchte die Sache damit abzutun, dass die Welt schlecht sei und er gar nicht anders konnte. Doch dann waren auch diese Überlegungen erst einmal zweitrangig. Er begann zu essen und genoss anschließend das seltene Gefühl eines vollen Bauches. Jetzt sah alles nicht mehr ganz so schlimm aus, er würde schon irgendwie klarkommen.
    ✵
    Sascha verdrängte seine tiefsitzende Enttäuschung über Marc, von dem er sich verraten fühlte. Er hatte Probleme, die ihn direkt bedrängten, deshalb hatte er nicht die Muße, über seinen Seelenzustand nachzudenken. Er wollte sich beweisen, dass er es auch ohne Marc oder seine Eltern schaffen konnte. Er würde allen beweisen, dass er kein kleines Kind mehr war. So trieb er sich beinahe zwei Wochen herum.
    Nach seinem Diebstahl an jenem Morgen hatte er sich immer wieder auf diese Weise etwas zu essen besorgt. Der Gedanke, als Stricher Geld zu verdienen, kam ihm dabei dauernd. Vorläufig jedoch war die Angst davor größer als die, beim Stehlen erwischt zu werden. Er schlief weiter zwischen den Zeitungen, bis man ihn unter Androhung der Polizei auch aus jenem Hinterhof vertrieb und kam zu dem Schluss, dass er nicht in Köln bleiben konnte. Er wollte in eine andere große Stadt gehen und es dort von Anfang an richtig machen, was immer das auch heißen mochte.
    ✵
    So kam es, dass Sascha irgendwann in den Zug nach Frankfurt stieg. Er versteckte sich vor dem Schaffner in den Toiletten und war die ganze Fahrt über ständig auf den Gängen unterwegs. Einmal musste er sogar den Zug wechseln, es gab keine anderen Ausweichmöglichkeiten mehr.
    Bei der Ankunft nach dieser viele Stunden dauernden, unruhigen Fahrt staunte er über die riesige Kuppel des Bahnhofs. Er kam sich verloren vor, als er dort stand und sich umsah. Gut, jetzt war er hier – und nun? Was war anders als in Köln? Zögernd ging er an den vielen kleinen Geschäften innerhalb des Bahnhofsgeländes vorüber und aß währenddessen seinen letzten Schokoriegel. Er sah sich um, ging in Richtung der WCs. Er wusste, Kids wie er versammelten sich meistens dort in der Nähe.
    Zuerst nahm er den
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