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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder
Autoren: Andrej Longo
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Polizei holt, wenn ich nicht verschwinde, und noch andere Sachen. Ich hab meine Tüten genommen, aber da ist das Mädchen mit der Medizin gekommen. Sie hat mit dem am Fenster rumgestritten. Die ham ganz schön gebrüllt. Zum Schluss hat der geschrien, dass er ihr und mir was auf die Fresse gibt. Und hat das Fenster zugeknallt.«
    »Das hat er gebrüllt – dass er dir was auf die Fresse gibt?«
    »Ja, ich hab Angst gehabt. Das Mädchen hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen. Sie hat den Biss sauber gemacht und dann gesagt, sie geht hoch und holt was zu essen. Aber als sie weg war, hat der wieder rausgeschaut und gebrüllt.«
    »Erinnerst du dich dran, welches Fenster das war?«
    »Der hat so gebrüllt. Ich wollte auf das Mädchen warten, weil ich hatte Hunger. Bin aber aus Angst abgehauen.«
    »Auf welcher Etage war denn das Fenster?«
    »Weiß nich«, sagte sie, »sah aus wie ’ne Kirche.«
    »Eine Kirche?«, fragte der Commissario.
    »Bunt, wie inner Kirche.«
    Wir versuchten, mehr rauszukriegen, aber die Pennerin antwortete nicht mehr und stand auf.
    »Is sie tot?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete der Commissario.
    Sie schaute einen Augenblick lang zu Boden. Als sie ging, schleifte sie ihre Tüten hinter sich her.

23.
    Der Commissario parkte seinen Cinquecento unter einem Baum vor dem Haus. Wir sind rein und durch den Flur in den Garten, ohne genau zu wissen, was wir eigentlich suchten. Als wir im Erdgeschoss ein Fenster mit buntem Glas sahen, war uns sofort klar, was die Pennerin gemeint hatte. Das Fenster gehörte zur Wohnung von Cimmino, dem Ingenieur, der beim Katasteramt arbeitete und mit dem wir noch nicht hatten sprechen können. Wir versuchten es und klopften bei ihm, und das war schlau, denn wir erwischten ihn, als er grade weggehen wollte.
    »Ich war auf dem Weg zu Ihnen«, sagte er.
    Aber das hatte er sich wohl bloß ausgedacht.
    »Dann können Sie sich die Mühe ja sparen, Ingegnere«, sagte der Commissario.
    Er bat uns rein.
    Ich schätzte ihn auf über fünfzig. Er reichte mir nicht mal bis zur Schulter. Haare hatte er nur an den Seiten, kurz geschnitten. Er war elegant gekleidet, aber lässig, mit Jeans und Leinenjacke, der hatte sicher Kohle. Die Beine waren kurz und dünn und standen im Gegensatz zu seiner Wampe, die unter der Jacke hervorguckte. Auch das Gesicht war rund und rosa und erinnerte mich an ein Schwein. Ich zwang mich, den Gedanken zu vertreiben, schaffte es aber nicht.
    Als wir reinkamen, guckte sein Vater aus einem Zimmer heraus, der, mit dem wir am ersten Tag gesprochen hatten und der ein wenig verwirrt war. Er starrte uns komisch an und hob die Hand zum Gruß. Der Ingenieur rüffelte ihn sofort.
    »Papà, bitte. Bleib in deinem Zimmer.«
    Und ohne viel Aufhebens schob er ihn hinein.
    Dann gingen wir ins Wohnzimmer. Es war modern eingerichtet, mit so komischen Lampen, die sich wie Schlangen wanden. Auch die Stühle, der Tisch und die Sessel sahen aus wie aus einem Science-Fiction und waren sicher arschteuer.
    Der Ingenieur sagte, dass er uns keinen Kaffee anbieten könnte, weil er grade keinen hätte, aber gern ein Bier oder einen Aperitif.
    »Nein danke«, sagte der Commissario, »wir wollen Sie nicht aufhalten.«
    »Ich bin heute Morgen wirklich ein wenig in Eile«, antwortete der Ingenieur.
    Er hatte uns nicht mal einen Stuhl angeboten.
    »Dann kommen wir schnell zur Sache«, sagte der Commissario. »Sie kannten Sarah Lo Russo gut?«
    »Nur vom Sehen.«
    »Wir wissen, dass Sie vor ein paar Tagen mit dem Mädchen gestritten haben.«
    »Ich?«
    »Wegen einer Pennerin.«
    »Ach so«, sagte der Ingenieur lächelnd, wurde aber rot.
    »Stimmt das, Ingegnere?«
    »Natürlich nicht. Das ist Ihnen falsch vermittelt worden.«
    »Sie hätten zu der Pennerin und dem Mädchen gesagt: Ich geb euch was auf die Fresse.«
    »Entschuldigen Sie, aber das ist nicht meine Art zu reden.«
    »Dann erzählen Sie uns doch, was passiert ist.«
    »Gar nichts. Ich habe diese Frau unten im Garten gesehen und Verdacht geschöpft. Vom Fenster aus habe ich sie gefragt, was sie will, und sie hat nicht geantwortet. Ich habe gesagt, dass ich die Polizei hole, aber da kam Sarah und hat mir die Situation erklärt, woraufhin ich nichts mehr gesagt habe. Sondern angeboten, die Frau in die Notaufnahme zu bringen.«
    Ich dachte, egal, was der uns jetzt vorlog, es gab niemanden mehr, der widersprechen konnte.
    »Wo waren Sie an dem Tag, an dem das Mädchen gestorben ist, Ingegnere?«
    »Zuhause.«
    »Wie?«,
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